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Napster goes Gütersloh

Bald gehört die Musikbörse wirklich zu Bertelsmann – weil sie sonst keiner haben will. Man tauscht jetzt woanders. Und die Konzerne wissen immer noch nicht, wie man im Internet Geld verdient

von ROLAND HOFWILER

Ein bisschen muss einem Thomas Middelhoff Leid tun: Da gehört die legendäre Musiktauschbörse Napster nun bald endlich und wirklich zu Bertelsmann – und das war’s dann aber auch schon: Middelhoff ist nicht mehr Bertelsmann-Chef, und sein einstiges Lieblingsprojekt übernimmt der Konzern auch nur, weil es sonst keiner haben will.

Bei einer Versteigerung der Napster-Vermögenswerte vor einem kalifornischen Insolvenzrichter fanden sich außer Bertelsmann keine weiteren Bieter. –Was aus napster.com. wird, entscheiden nun die „Bibelexperten“ (Britanniens Presse über den neuen Bertelsmann-Chef Gunter Thielen) von Gütersloh.

Schon seit Jahren versuchen die fünf größten Platten-Multis der Welt – EMI, Sony, Bertelsmann, Warner und Polygram-Universal – den so genannten Free-Download-Anbietern von Musikstücken das Tausch-Handwerk zu legen. Der musikalische Geheimtipp Napster entwickelte sich Anfang 1999 zur „biblischen Plage“ (Warner), als plötzlich Hunderttausende Musikfans „napsterten“ und ihre Lieblingsmusikstücke nach Lust und Laune massenhaft weiterverbreiteten. Ein Jahr später zählte die Sauger-Gemeinde schon Millionen Nutzer, kurz vor dem Verbot durch US-Gerichte 2001 sollen zwischen 65 und 80 Millionen Tausch-Börsianer weltweit am Napster-Netz gehangen haben. Und Thomas Middelhoff witterte ein ähnliches Potenzial wie beim Internet-Dienst AOL, an dem er Bertelsmann höchst lukrativ beteiligt hatte. Der Konzern kaufte dem vor der Schließung stehenden Gratisportal die Kundendatei ab – und vor allem die Exklusivrechte an der Weiterentwicklung der Software.

Alles sollte streng legal – und natürlich kostenpflichtig werden. Anstelle des derzeit üblichen MP3-Musikformats würde künftig ein schwer kopierbares Musik- und Filmformat den Vertrieb von Ton- und Bildmaterial über das Internet regeln. Middelhoffs Napster-Vision: Eine Art virtueller Bertelsmann-Club zur Verbreitung von Content in Wort, Bild und Ton.

Doch schon bei der Musik blieb alles stecken: Bei der Frage, wie ein solches Vertriebssystem aussehen könnte, gelang es den Güterslohern bislang nicht, die anderen Plattenkonzerne zu einer gemeinsamen Strategie zu bewegen – zur Freude der Nutzer.

Dabei hebelt sich die profitable Verbreitung von Musik über das Internet derzeit selber aus: Keinem der Konzerne gelingt es, eine ausreichende Auswahl an Dateiformaten zur Verfügung zu stellen, die ein Abspielen gleichzeitig auf Computersystemen und traditionellen CD-Playern ermöglicht. Wer für Netzmusik bezahlt, will diese nach eigenem Gutdünken weiternutzen – wogegen der rigide Kopierschutz steht. Und niemand wird für ein Mini-Repertoire von nur einigen tausend Musikstücken bezahlen, von denen nur ganz wenige seinen Geschmack treffen.

Unzählige Nachfolger

Dafür sorgen unzählige Napster-Nachfolger. Einige sind entweder von Strafverfolgung bedroht wie Kazaa (kazaa.com) oder leiden unter gerichtlich begrenzten Server-Kapazitäten wie Morpheus (musiccity.com). Den unfähigen Branchenriesen dienen sie derweil als passable Sündenböcke für den weltweit bröckelnden Tonträger-Absatz zu Spitzenpreisen. Apropos: Nachwuchskünstler ohne Plattenvertrag hört man hierzulande bevorzugt auf vitaminic.de oder virtual-volume.com

Gegenüber diesen Portal-Alternativen nimmt sich der erste legale Online-Musikvertrieb in Deutschland geradezu lächerlich aus: Popfile.de, ein Kind von Universal Music, startete Anfang August mit massivem PR-Aufgebot: Selbt ein gewisser Gerhard Schröder war sich nicht zu schade, an der Gründungsfeier teilzunehmen und das gerade einmal 5.000 Titel bietende Unterfangen als „Alternative zum illegalen Musikhandel“ zu preisen.

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