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Starthilfe für Druckräume

Ministeriumsstudie: Durch Fixerstuben weniger Drogentote. Senatsverwaltung will das Projekt forcieren, der erste Standort soll 2003 öffnen. Andere Städte haben schon langjährige Erfahrungen

von PLUTONIA PLARRE

Nun ist wissenschaftlich belegt, was für fortschrittliche Drogenexperten schon lange feststeht: Druckräume, auch Fixerstuben genannt, bewirken, dass weniger Abhängige sterben. Das ist das Ergebnis einer vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Studie, die Mitte September veröffentlicht werden soll. In Berlin soll der erste Druckraum, in dem Abhängige unter hygienischen Bedingungen Drogen konsumieren können, frühestens Anfang 2003 öffnen.

Die Hauptstadt hinkt damit deutlich hinterher: Frankfurt, Hamburg, Saarbrücken und Hannover haben bereits langjährige Erfahrungen. Münster, Köln Wuppertal, Aachen, Essen und Dortmund sind dabei, seit die rot-grüne Bundesregierung im Frühjahr 2000 den Betrieb von Druckräumen legalisiert hat.

In der Studie wurden rund 2 Millionen „Konsumvorgänge“ in Druckräumen seit 1995 untersucht. In 5.500 Fällen befanden sich die Abhängigen nach der Drogeneinnahme am Rande eines Kreislaufkollapses. Die erste Hilfe kam aber stets rechtzeitig: In den Druckräumen gab es zu keinen Todesfall. Generell ging die Zahl der Drogentoten in den untersuchten Städten deutlich zurück. „Die Studie belegt, dass die Drogenkonsumräume daran einen erheblichen Anteil haben“, heißt es aus dem Haus der Bundesdrogenbeauftragten.

Die Maßnahme griff bei den zum Teil erheblich verwahrlosten langjährigen Süchtigen noch weiter: „Vielfach konnten Betroffene in weiterführende Hilfseinrichtungen von Substitution über Entgiftung bis hin zur Therapie weitervermittelt werden.“ Zudem belege die Studie, dass die Druckräume ohne gute Kooperation zwischen Betreibern und Polizei in keiner der Städte funktioniert hätte.

In Berlin wird die Untersuchung aufmerksam registriert. Nachdem in der Stadt jahrzentelang Stillstand in der Drogenpolitik geherrscht hat, gilt die Einrichtung von Druckräumen seit dem Bruch der großen Koalition vor 15 Monaten als beschlossene Sache. Grüne und PDS sind schon lange dafür, und auch die SPD will nun mitziehen. „Die Studie bekräftigt uns in der Haltung, die Einrichtung von Drogenkonsumräumen zu forcieren“, sagt Roswitha Steinbrenner, Sprecherin von Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS).

Doch Verwaltungsabläufe brauchten Zeit. In diesem Jahr stelle der Senat 32.000 Euro, im kommenden 170.000 für Druckräume bereit. Der Sprecher der Initiative „Druckräume jetzt“, Uwe Klüppel (Grüne), bestätigt: „Das Vorhaben ist politisch gewollt.“ Wenn jemand bremse, dann sei es die Fachebene, zumal mit den Druckräumen eine Umstrukturierung niedrigschwelliger Angebote verbunden sei.

Federführend für das Projekt ist die Landesdrogenbeauftragte Elfriede Koller, langjährige Gegnerin von Druckräumen. Ihre Ablehnung begründete sie stets damit, in Berlin gebe es keine offene Szene wie in Frankfurt oder Hamburg. Jetzt scheint ihre Haltung ins Wanken geraten: Wenn das mit der Abnahme der Drogentoten stimme, so Koller, „ist das ein knallhartes Ergebnis“.

Im Detail ist allerdings noch viel zu klären. Die Initiative „Druckräume jetzt“ fordert zwei feste Standorte für Druckräume – in Kreuzberg und in Mitte – sowie einen mobilen Standort; gedacht ist an einen Bus. Seine Vorstellungen von festen Orten will Initiativensprecher Klüppel aber nicht vor dem Ende des Wahlkampfs äußern. „Das wäre für die CDU doch das gefundene Fressen.“ Die Drogenbeauftragte Koller hingegen möchte das Vorhaben zunächst auf einen Bus beschränken, weil der leichter zu finanzieren und schonender für die Anwohner sei. „Der Bus könnte im Januar loslegen.“

Die CDU will sich laut Fraktionschef Frank Steffel „zeitnah“ und „ergebnisoffen“ mit der Studie beschäftigen. Er meine, dass die „schlimme Situation der Drogenabhängigen“ verbessert werden müsse. Bislang war die CDU strikt gegen Druckräume.

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