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Dieser eine, leidenschaftliche Tag

Ganz schön „beautiful“: Heute Abend trägt der australische, in Berlin lebende Liedermacher Dominik Eichler mit seiner Band Dominique in der Lisa Lounge Lieder vor, für die sich Mädchen viel feministische Belehrung anhören müssten

Songwriter sind bekanntlich die Intellektuellen unter den Musikern. Kunst, Literatur, das Leben, die Liebe, hach – alles scheint sie mehr zu interessieren als der einfache, schmutzige Rock’n’Roll. In dieser Hinsicht ist der Wahlberliner Dominik Eichler auch keine Ausnahme.

Denn seine ruhigen Minimal-Popsongs lassen auf viel „gebildete“ Außenwahrnehmung schließen. Sind manchmal eher gesprochen als gesungen, und in fast jedem Text wird ein Mensch oder eine Situation als „beautiful“ beschrieben. Dabei wird gleichzeitig an der schönen Oberfläche gekratzt, wo es nur geht. Fast liebevoll beschreibt er das Tragische am äußerlich Gelungenen. Und so klingt dann auch die Debüt-CD „Speak to me“ (Tat 07/Hausmusik), als würde Wolfgang Tillmanns ein Schwarzweißfoto mit einem Sonnenstrahl überblenden. Als würde man die Gestalten und Gefühle der Nacht am Tage noch einmal betrachten.

Dass der seit 1995 in Berlin lebende Australier Eichler nicht nur Musiker ist, sondern auch Künstler und Kunstkritiker, dass es von ihm zum Beispiel Videoarbeiten gibt, die um Gender-Themen kreisen, um Männlichkeitsbilder und Homosexualität, das merkt man auch bei seinen Songs. Im Titelsong „Speak to me“ findet man die – für einen Mann – doch recht untypische – Zeile: „You know it’s not easy living with you/When you never say anything/and I cook and I clean and make the house/really beautiful for you.“ Schön. Da müsste sich ein Mädchen – wohl zu Recht – viel feministische Belehrung anhören, wenn sie so eine Textzeile schreiben würde.

Auch auf der Rückseite des Covers schlüpft Dominik schon mal in die weibliche Rolle. Stellt seine nackten Beine auf mädchenhafte Art aus und greift sich mit den Händen leicht dazwischen. Bei so viel dandyeskem Auftreten wundern auch die Vergleiche mit Nick Drake und Tim Buckley. Nur, dass er die Sache mit dem Musikmachen eher entspannter nimmt, denn schließlich ist Pop ja nur seine zweite Heimat. So zeigt er sich dann auch von Bands wie den – ebenfalls australischen – Go Betweens oder den melodramatischen Belle & Sebastian beeinflusst. Und richtig, sein Debütalbum ist nicht einfach nur Dominik Eichler, sondern unter dem Namen Dominique auch ein Band-Ding mit Dave Allen an der Gitarre und Antje Majewski am Cello. Aber keine Angst: Beim Konzert heute Abend in der Lisa Lounge wird der dunkelhaarige Mittdreißiger trotz Band noch bescheiden genug hinter seiner Fender sitzen. Und das passt ja auch zu viel besser zu seinen Songs, zu ihrer Rückschau.

Wenn er etwa im heimlichen Hit der Platte, in „Running Naked“, den einen, leidenschaftlichen Tag beschreibt, den er mit einem anderen Menschen hatte. Und darüber fast nostalgisch wird. Nicht nostalgisch genug allerdings, um nicht doch schon wieder neue Stücke geschrieben zu haben. Die zweite CD von Dominique erscheint voraussichtlich im Frühjahr. Auch von dieser wird er heute mit seiner Band Stücke vortragen. Und das wird sicher ganz schön „beautiful“.

KERSTIN GRETHER

Heute, 20 Uhr, Lisa Lounge, Elisabethkirchstr./Ecke Invalidenstraße, Mitte

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