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Krise des Lehramtes

Der Lehrer der Zukunft soll vor allem ein Pädagoge sein – und weniger der Spezialist für die einzelnen Schultypen

BONN taz ■ Welches Rüstzeug braucht ein frisch gebackener Lehrer für den Unterricht? Die bürokratische Antwort lautet: Ein absolviertes Lehrerstudium, in Deutschland etwas umständlich Lehramtsstudium genannt. Aber wenn der Pädagoge die Klassentür öffnet, steht er vor 30 Kids, die sich nicht darum kümmern, welches Lehramt vor ihnen steht. Sollen also künftig Lehrämtler oder Lehrer ausgebildet werden? Um die Frage kreiste die Tagung „Pisa als Chance – Für eine Reform der Lehrerausbildung“, die Hochschul-Rektoren-Konferenz (HRK), Verband Bildung und Erziehung (VBE) und der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ausrichteten.

Das ist neu. Erstmals seit vielen Jahren stehen wieder der Lehrer und sein Beruf im Zentrum der durch den internationalen Schülervergleichstest Pisa angestoßene Reformdebatte. „Ich konnte nur zehn Prozent von dem gebrauchen, was ich im Studium gelernt habe“, sagte Nikolina Nikolic. Die Grundschullehrerin machte damit stellvertretend deutlich, wo die Krise des Lehramtes zu suchen ist – in der Lehrerausbildung.

Ludwig Eckinger, der als Bundesvorsitzender des VBE für 140.000 Lehrer in Deutschland spricht, sah das Hauptproblem der Lehramtsstudiengänge im mangelnden Praxisbezug: „Die Praxis wird in Deutschland als unwissenschaftlich diskriminiert.“ Er votierte für eine Stärkung der Erziehungswissenschaften – und forderte, dass deren Inhalte künftig von Grundschul- bis Gymnasiallehrern in einem gemeinsamen Grundstudium gelernt werden sollten. Alle Lehrämter sollten künftig acht Semester studieren – statt bisher nur sechs für Pädagogen in Grund- und Hauptschule.

Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Klaus Landfried wollte den alten Streit zwischen dem studierten Unterrichtsfach und der didaktischen Befähigung der Lehrer nicht aufnehmen. Er schlug stattdessen vor, erfahrene Lehrer in die Unis zu holen, damit sie Studierenden die Didaktik praxisgerecht vermitteln. Die Seminare könnten Fachwissenschaftler und aktive Lehrer gemeinsam bestreiten. „Und Professoren, die Lehrer ausbilden, müssen in die Schule zurück.“

Einig waren sich alle Experten, dass ein neues Lehrerleitbild nötig sei. Für den Lehrerverband Bildung und Erziehung soll die Identifikation mit dem Beruf bereits von Studienbeginn an für das Selbstbewusstsein der Erzieher sorgen. Ein anderes Modell strebt Nordrhein-Westfalen an, in dem zwei Hochschulen einen aufeinander folgenden Bachelor-Master-Studiengang für Lehrer erproben. Die Studierenden müssen sich hier erst nach dem Bachelor entscheiden, ob sie einen Lehrer-Master aufsatteln oder eine andere Profession anstreben. Doch ein Leitbild ist mit beiden Strukturmodellen nicht formuliert. Das Podium der Tagung blieb die Antwort schuldig. Fast, denn Landfried erinnerte in der Schlussrunde beherzt an seinen Lateinlehrer, der kirchlich verbotene Lektüre mit den Schülern las. Der HRK-Präsident meinte daraus das Vorbild für einen starken Lehrertyp ableiten zu können: „Gezielte Verstöße gegen unsinnige Vorschriften tragen zur Charaktergröße bei.“

ISABELLE SIEMES

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