: Friedenscontainer zwischen den Fronten
In der geteilten Kosovo-Stadt Mitrovica ist ein Versöhnungsprojekt für Jugendliche serbischen Nationalisten ein Dorn im Auge. Geflohene Kosovo-Serben drängen auf Rückkehr in ihre Heimat, doch die UN-Mission bremst noch
MITROVICA taz ■ Noch kommt die zwischen Serben und Albanern geteilte Stadt Mitrovica im Norden Kosovos nicht zur Ruhe. Am nördlichen Ende der mit Stacheldraht gesicherten Brücke über den Ibar-Fluss, die eigentlich beide Stadthälften verbinden soll, stehen noch immer drohend serbische „Brückenwächter“. Albaner sind auf ihrem Territorium weiterhin nicht erwünscht. Die Schlägertruppe terrorisiert alle ihr missliebigen Menschen, und das trotz der internationalen KFOR-Truppen und der UN-Polizei in der Stadt.
Jetzt machen die selbst ernannten Wächter sogar Druck auf Kinder und Jugendliche. Auf einer Sandbank mitten im Fluss, durch eine Treppe mit der Brücke verbunden, steht der „Mobile Kulturcontainer“. Ein Ort, in dem sich Jugendliche aus beiden Teien der Stadt treffen können. Hier werden Musik, Theater, Filme und Hilfe für gemeinsame Schülerzeitungen geboten.
Der Ort der Verständigung stört die Nationalisten. „Sie haben den Jugendlichen gesagt, sie sollten nicht mehr zu unseren Veranstaltungen kommen“, sagt einer der Organisatoren. „Sie forderten sogar Eltern auf, ihre Kinder von dem Container fern zu halten.“ Doch die Projektmitarbeiterin Josipa Crnoja lässt sich nicht entmutigen. Die junge Bosnierin, die in Österreich als Flüchtlingskind aufwuchs, engagiert sich wie einige serbische, kroatische, muslimische und internationale Mitstreiter für die Friedensarbeit: „Wir bleiben hier wie geplant bis zum 4. Oktober. Unser Programm wird von den Jugendlichen beider Seiten gut angenommen.“ Man müsste sogar den Andrang der albanischen Jugendlichen dämpfen, damit auch noch die serbischen Platz haben.
Mitrovica ist der vorläufig letzte Ort, den das Projekt besucht. Seit einem Jahr ist der Kulturcontainer schon in vielen Städten Kroatiens, Bosniens und Mazedoniens aufgestellt worden, zum Beispiel in Mostar und Banja Luka, in Skopje, Tuzla und Osijek. Vom OSZE-Medienbeauftragten Freimut Duve unterstützt und jetzt als Projekt des „Stabilitätspaktes“ firmierend, ist es den Mitarbeitern gelungen, tausende Jugendliche und Kinder unterschiedlicher Nationen und Religionen unter dem Motto „Verteidigung unserer Zukunft“ zusammenzubringen. Dass es Widerstände der ewig gestrigen Nationalisten gibt, sind die Mitarbeiter gewohnt. Seit jedoch vor wenigen Tagen eine Bombe in der Nähe eines Hauses in dem dem serbischen Teil nächstgelegenen Stadtteil Mahala explodierte, wird überlegt, in den „sichereren“ albanischen Südteil überzusiedeln.
Mitrovica ist noch ein heißes Pflaster. Die mit Kriminellen durchsetzten „Brückenwächter“ haben sogar ein wirtschaftliches Interesse am Bestand der Grenze. Denn sie vermitteln nach Ansicht internationaler Polizisten unverzollte Waren aus Serbien an die albanische Mafia. Nach diplomatischen Quellen sollen sogar Waffen und zur Prostitution gezwungene Frauen gehandelt werden. Fiele die Grenze weg, wären die schönen Geschäfte mit den angeblich so verhassten Albanern vorbei.
Andere dagegen haben ein existenzielles Interesse an der Normalisierung. Viele der im Sommer 1999 nach Serbien geflohenen Kosovo-Serben wollen endlich wieder nach Hause. In Serbien ungeliebt in kollektiven Zentren vegetierend, wollen sie am 15. September an den Grenzen zum Kosovo aus Protest den Verkehr blockieren. Zwar leiten nationalistische Politiker die Aktion. Doch die UN-Mission wird damit zu Recht unter Druck gesetzt. UN-Missionschef Michael Steiner versprach am vergangenen Donnerstag in Mitrovica, alles für die Rückkehr der Flüchtlinge aller Seiten zu tun. Doch müsse man schrittweise vorgehen. Eine Massenrückkehr sei angesichts der angespannten Lage auf beiden Seiten noch nicht möglich. ERICH RATHFELDER
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