piwik no script img

Der Exekutionskommandant

Meir Dagan ist als alter Kampfgefährte von Ariel Scharon dessen Wahl für den Chefposten des Mossad

Er genießt den Ruf eines Abenteurers: Je gefährlicher eine Operation ist, desto mehr blühe Meir Dagan auf. So sei er als Kommandant im Südlibanon aus purer Laune in Zivil und mit einem gefälschten Presseausweis zum Kaffeetrinken in eine Stadt gefahren, die von PLO-Kämpfern kontrolliert wurde. Wäre ein Verdacht gegen ihn aufgekommen, würde man heute wohl nichts mehr von ihm hören. Jetzt fiel auf Dagan die Wahl von Premierminister Ariel Scharon als Chef von Israels berüchtigtem Geheimdienst. Unter Dagans Führung, so die Hoffnung, werde der Mossad, der in den vergangenen Jahren durch peinliche Schlappen Schlagzeilen machte, erneut seinem alten Ruf gerecht werden.

Davon ausgehend, dass die Kommission unter der Leitung des pensionierten Richters Gabriel Bach vom Obersten Gericht der Nominierung zustimmt, löst Dagan den bisher amtierenden Efraim Halevy ab. Während Halevy den Ruf eines Meisterspions hat, gilt Dagan eher als Mann der Tat, der seine „Spuren auf dem Schlachtfeld hinterlässt“, wie die Jerusalem Post gestern schrieb.

Umstritten ist die Ernennung wegen Dagans Nähe zum Premier und seiner Parteizugehörigkeit. 1999 trat er dem Likud bei, um wenig später den Wahlkampf für den konservativen Spitzenkandidaten zu organisieren. Scharon hatte ihm damals schon versprochen: „Du wirst der nächste Mossad-Chef.“ Ofir Pines, Generalsekretär der Arbeitspartei, verurteilte die Wahl des „Likud-Mannes, der tief im politischen Leben verwurzelt ist“. Mit der Nominierung Dagans würden „neue Spielregeln festgelegt“ und ein „gefährlicher Präzedenzfall geschaffen“.

Als Sohn des Ehepaares Hubermann – sein Onkel gründete das Philharmonische Orchester in Tel Aviv – kam Dagan vor 55 Jahren in Russland zur Welt. Fünf Jahre später immigrierte er zusammen mit seinen Eltern, die Holocaust-Überlebende waren, nach Israel. Scharon lernte er 1970 kennen. Der kommandierte damals im Gaza-Streifen und beauftragte ihn mit der Gründung einer Sondereinheit mit dem Namen „Rimon“ („Granatapfel“), die Terroristen ausfindig machen und in zahlreichen Fällen auch töten sollte. Die Presse bezeichnete die Einheit als „Exekutionskommando“. Kritiker warfen Dagan vor, er würde nach dem Prinzip „der Zweck heiligt die Mittel“ oft unproportional hart vorgehen.

Zusammen mit Scharon überquerte Dagan im Jom-Kippur-Krieg drei Jahre später den Suezkanal. Die beiden kämpften später erneut an gemeinsamer Front, diesmal im Südlibanon, von wo aus Dagan im Auftrag des militärischen Nachrichtendienstes israelische Agenten in arabischen Ländern betreute.

1995 wurde Dagan, inzwischen Zivilist, vom damaligen Premier Schimon Peres in das Büro des Regierungsberaters für Antiterrormaßnahmen berufen, das er dann unter den beiden folgenden Regierungschefs selbst leitete.

Eigenen Aussagen zufolge habe Dagan „niemals politische Ambitionen“ gehabt. Nur aus strategischen Gründen und um die Sicherheit Israels besorgt, schloss er sich vor zwei Jahren einer öffentlichen Kampagne gegen territoriale Kompromisse auf den Golanhöhen an. Einem Abzug aus den Palästinensergebieten würde er, vorausgesetzt, dass Israel militärisch die stärkste Macht in der Region bleibt, indes grundsätzlich zustimmen.

SUSANNE KNAUL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen