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Tod durch Schlinge

Löcher in ein Konterfei von Möllemann: Schlingensiefs „Aktion 18 – Tötet Politik“ im St. Pauli-Theater

Aktion 18 – „Tötet Politik“ heißt seine neue Losung: Christoph Schlingensief musste sich nach seiner Auftaktveranstaltung zu diesen rituell-politischen Tötungssimulationen im Juni dieses Jahres schon vorwerfen lassen, er sei ein „Schamane gegen Deutschlands böse Geister“ (Frankfurter Rundschau). Der struppelbehaarte Dauer-U-Bahn-Fahrer hatte vor dem Sitz von Jürgen W. Möllemanns Düsseldorfer Wirtschafts- und Exportberatungsfirma eine zufallsgenerierte Sammlung archaischer und aktueller Riten zur Performance gebracht.

Von Exorzismus über Vodoo-Mikado und die (angedeutete) Schlachtung eines Huhns bis zum Verbrennen einer israelischen Fahne war alles dabei. Wie ein überraschter Knabe nach vollendetem Lausbubenstreich stand das theatralische Spielkalb Schlingensief schließlich da und schrie: „Möllemann ist daran Schuld, Israel wird mit Füßen getreten“. Die Polizei nahm anschließend seine Personalien auf und Möllemann veranstaltete eine Pressekonferenz.

Schlingensief gibt mit der Aktion 18-Lesereise und der Rückkehr vom Straßenwahlkampf auf die Bühnen-Bretter nach eigenen Angaben nur dem „vielfach flehentlichen Bitten schauspielernder Parteidiener und politikverdrossener Medienmacher“ nach. Wenn die „wirkliche Politik“ das Theater doubele, dann müsse das Theater die „wirkliche Politik“ doubeln.

Und das „Wirkliche“ doubelt sich selbst. Denn schon im Wahljahr 1998 fegte Schlingensief in hektischer Betriebsamkeit mit der Partei der „Chance 2000“ über Deutschlands Straßen und hinterließ dabei Menschen wie die Frau, die neben Möllemanns Firma ihre 90 Quadratmeter Düsseldorf bewohnt und nun nur noch meckert, „dat der dat nich selber wieder wech machen muss“. Sie schaut mit den Augen einer Deutschen. Markus Flohr

So, 20 Uhr, St. Pauli Theater

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