: Sachsen ist schuld
Im Streit mit dem Bund um verzögerte Hochwasserhilfe gibt das Dresdner Finanzministerium Fehler zu. Wirtschaftsminister Gillo ein „Stinkstiefel“?
aus Dresden MICHAEL BARTSCH
Die sächsische Regierung musste gestern einräumen, Bundesmittel in Höhe von 52 Millionen Euro für die Hochwasseropfer nicht abgerufen zu haben. Dabei handelt es sich um 28 Millionen für beschädigte Gebäude und 24 Millionen für die kommunale Infrastruktur. Ein Schreiben des Bundesverkehrsministeriums belegt, dass diese Gelder bereits seit dem 30. August bei der Bundeshauptkasse in Halle liegen.
Staatssekretär Wolfgang Voß vom sächsischen Finanzministerium versicherte, dass den Nutznießern dadurch kein Verlust entstanden sei. Der Freistaat sei bei den Gebäudeschäden mit 30 und beim Programm für die kommunale Infrastruktur mit 35 Millionen Euro in Vorleistung gegangen. Für Instandsetzung von Gebäuden seien erst 18,1 Millionen Euro verteilt worden, sodass von „Stockung“ keine Rede sein könne. „Es geht jetzt lediglich um Refinanzierung der Landesmittel durch den Bund“, sagte Voß.
In den vergangenen Tagen waren Beschwerden vor allem von geschädigten mittelständischen Unternehmen und von Kommunen über eine schleppende Finanzhilfe laut geworden. Insbesondere der sächsische Wirtschaftsminister Martin Gillo hatte die Verantwortung nach Berlin geschoben. Das Gegenteil scheint jedoch der Fall zu sein. So konnte laut Bundeswirtschaftsministerium die Verwaltungsvereinbarung über das Dreistufenprogramm zur Unternehmenshilfe lange nicht unterzeichnet werden, weil der Text aus Dresden erst Montag vorlag.
Auch die Sächsische Aufbaubank, die mit der Abwicklung der Hilfszahlungen beauftragt ist, war in die Kritik geraten. Auch diese wird intern aber an das sächsische Wirtschaftsministerium weitergereicht, das etwa falsche Dateivorlagen übermittelt habe. Der neue Minister Martin Gillo, von Bundesfinanzminister Hans Eichel schon als „Stinkstiefel“ bezeichnet, versuche sich zu profilieren. Kernproblem seien überhaupt ungeklärte Zuständigkeiten zwischen dem Wiederaufbaustab der Staatskanzlei und den Fachministerien.
Aufbaubank-Chef Freiherr von Seckendorf wies Kritik an der Bearbeitung von rund 15.000 Anträgen zurück, von denen schon mehr als 80 Prozent bewilligt seien. „Eine Leistung, die ihresgleichen sucht!“ In allen von der Presse recherchierten Einzelfällen sei bereits Geld überwiesen gewesen. Ministerpräsident Georg Milbradt ermunterte Kommunalvertreter, im Vertrauen auf eine 90-prozentige Kostenübernahme durch Land und Bund schnell mit der Beseitigung der Flutschäden fortzufahren. „Fragen Sie nicht, wie es geht“, mahnte er unbürokratisches Handeln an.
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