: Australien auf gutem Weg
Nachhaltiges Investment Down Under: Per Gesetz müssen Fondsgesellschaften und Stiftungen offenlegen, inwiefern Umweltschutz und Ethik in ihren Invest-Entscheidungen eine Rolle spielen
Spielt eigentlich im fernen Australien mit seinen knapp 19 Millionen Einwohnern nachhaltiges Investment eine Rolle? Aus der Distanz möchte man meinen, dass es mit der direkten Bedrohung des Ozonlochs eine große Motivation geben sollte, auch beim Investment nachhaltige Kriterien zu berücksichtigen.
Lange Zeit jedoch zählte Australien nicht zu den dynamischen Märkten in Sachen „Social Responsible Investment“ (SRI, nachhaltiges Investment). Dafür gab es verschiedene Gründe. Vor allem die Struktur der Wirtschaft und des Aktienmarktes waren dafür verantwortlich. Industrien aus dem Rohstoff- und Bergbausektor mit aus Nachhaltigkeitssicht kritischer Performance machen einen Anteil von nahezu fünf Prozent vom australischen Bruttoinlandsprodukt aus. Knapp ein Fünftel des ASX Aktienindex, des australischen DAX, setzt sich zusammen aus Unternehmen, die häufig als grundsätzlich ungeeignet für nachhaltiges Investment angesehen werden wie Alkohol, Tabak, Glücksspiel, Rohstoffe und Bergbauindustrie. Der Anteil dieser Unternehmen im Dow Jones und im MSCI ist nur etwa halb so groß.
Ferner waren Themen wie Apartheid, Minderheiten und saurer Regen, die in den USA und Europa schon frühzeitig nachhaltiges Investment begünstigten, im fernen Australien nicht virulent. Der schmale australische Finanzmarkt mit dem konservativen Investmentbankern ließ da lange kein Platz für nachhaltiges Investment. Australien zählt daher auch wenig überraschend zu den wenigen Ländern, die nicht das Kioto-Protokoll unterzeichnet haben.
Die Gründe für das jüngste Wachstum von SRI in Australien sind vielfältig. Der Trend von SRI mit den positiven Beispielen auch der Performance der SRI-Fonds schwappte aus Übersee nach Australien. Was in den USA, England oder Schweiz funktionierte, nämlich Rendite mit Nachhaltigkeit zu verknüpfen, wurde auch von den Australiern angenommen. Aber es gibt eine Reihe von Eigenarten, die eben ganz speziell australischer Natur sind. Vor allem die Tatsache, dass Australien die pro Kopf zweithöchste Ansparsumme für Pensionsfonds vorweist, so dass im Juli 2002 bereits etwa neun Prozent des verwalteten australischen Vermögens im Sinne der Gläubiger von Pensionsfonds aus Arbeitnehmersicht verwaltet werden, begünstigte die Berücksichtigung von sozialen und ökologischen Kriterien in der Geldanlage. Ein weiterer wichtiger Beschleuniger in Australien war die staatliche Gesetzgebung.
Zu erwähnen ist hier der Financial Service Reform Bill. Dieses Finanzdienstleistungsgesetz fordert nicht nur die Pensionsfonds, sondern darüber hinaus generell die Manager der großen Fondsgesellschaften und Stiftungen dazu auf, offen zu legen, inwieweit Qualität von Arbeitsbedingungen, Umweltschutzstandards und soziale oder ethische Überlegungen in die Durchführung eines Investments mit einfließen. Dieser Passus trat zum 11. März 2002 in Kraft und zwingt damit sämtliche 8.000 australischen Fondsverwalter zu einer Erklärung im Hinblick auf SRI-Kriterien. Eine darüber hinaus gehende „member investment choice“, demgemäß die Arbeitnehmer ihren Pensionsfonds beauftragen können, einen Anteil in SRI-Fonds anzulegen, ist aber noch nicht in Kraft. Jedoch bieten bereits jetzt von den Pensionsfonds immerhin 15 Prozent eine SRI-Option an.
Dass Australien mit 52 Prozent Aktionärsanteil weltweit den höchsten Anteil an der Gesamtbevölkerung hat, zusammen mit der Tatsache, dass gemäß einer Studie aus dem Jahre 2000 Australien von allen Länder die höchsten Erwartungen an die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen stellen, zeigt den fruchtbaren Nährboden in Australien für SRI-Fonds. So fordern 45 Prozent aller Australier, dass große Unternehmen Gesetze nicht nur erfüllen, sondern sogar übererfüllen und höhere ethische Standards aufstellen: „To help build a better society for all.“ Immerhin die Hälfte aller Australier gab an, bereits Unternehmen, die sie als nicht verantwortungsvolle Akteure bewerteten, in irgendeiner Weise als bewusste Konsumenten oder Aktionäre abgestraft zu haben.
Durch die Einflussfaktoren geänderter Gesetzgebung und Werthaltungen ist der SRI-Markt in Australien konsequenterweise stark gestiegen. Mit 1,3 Milliarden Dollar SRI-Fonds hat Australien einen Anteil von etwa 0,8 Prozent von Nachhaltigkeitsfonds am Gesamtmarkt der Fonds (Deutschland: etwa 0,5 Prozent). Eindrucksvoll ist das Wachstum von SRI in Australien in den vergangenen Jahren, das jährlich zwischen 50 und 80 Prozent lag. „Der lokale australische SRI-Markt hat binnen zwei Jahren das erreicht, wofür der britische Markt zehn Jahre brauchte“, so Mark Bytheway von der SiRi-Research-Agentur in Australien.
Die größten Fondsgesellschaften in Australien bieten SRI-Fonds an, und über 70 Prozent der führenden Fondsmanager in Australien gaben in einer Umfrage an, bis Ende 2002 einen Nachhaltigkeitsfonds auflegen zu wollen. 83 Prozent der Pensionsfondsmitglieder wollten Gelder in nachhaltigen Fonds anlegen. Konträr dazu steht jedoch eine Umfrage von Rothschild, demzufolge nicht mal jeder fünfte Finanzberater und Investor den Begriff ethisches Investment einordnen konnten.
Eine besondere Bedeutung hat mittlerweile auch in Australien Shareholder-Engagement als Bestandteil einer umfassenden SRI-Strategie. Denn dies hilft besonders auch in Australien, die Bedenken eines verengten Marktportfolios zu zerstreuen und Pensionsfondsanlegern Aspekte der Nachhaltigkeit einzubauen ohne in Konflikt mit ihrer treuhänderische Verwalterfunktion zu kommen.
Australien hat den im internationalen Vergleich ursprünglichen Rückstand in SRI mächtig aufgeholt und durch das Gesetz zur Offenlegungspflicht einen weltweit beachteten wichtigen Schritt getan, der seitens des Kapitalmarktes einen Impuls hin zu unternehmerischem Wettbewerb für nachhaltige Entwicklung geben kann. Ob das realwirtschaftlich schnell genug Veränderung bewirkt, wird die Zukunft zeigen. VOLKER PETERS
Der Autor ist Mitarbeiter der scoris GmbH in Hannover, www.scoris.de
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