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Mauern für Lehrstellen

Der Senat hat im Doppelhaushalt bei den Erziehungshilfen 83 Millionen Euro gekürzt. Deshalb bewilligen die Bezirksämter kaum noch Jugendberufshilfen. Vielen Trägern droht das Aus. 1.300 Lehrstellen sind gefährdet. Azubis protestieren

von TILL BELOW

Merlin Schmidt kaut etwas verlegen auf seinem Kaugummi. Auf den 19-jährigen Maurerlehrling richten sich rund 400 Augenpaare, während er von seinen Kollegen mit Leichtbausteinen eingemauert wird. Vor dem roten Rathaus stehen Jugendliche mit Transparenten und Trillerpfeifen. „Verbaut unser Leben nicht!“ heißt die Aktion, mit der die Wohlfahrtsverbände gestern Vormittag auf die Kürzungen bei den so genannten Erziehungshilfen aufmerksam machten.

Die Demonstranten sind bunt gemischt: afrikanische Jugendliche, kurzhaarige Schränke mit Pittbull-Sweatshirt und Mädchen im Blaumann. Sie alle sind derzeit in der Lehre bei einem der insgesamt knapp 40 gemeinnützigen Ausbildungsbetriebe der Stadt. Das Jugendamt hat bei ihnen eine soziale Benachteiligung festgestellt und fördert deshalb die Ausbildung. Und genau hier liegt das Problem. Für das neue Lehrjahr haben die Jugendämter viel weniger Jugendliche an die Ausbildungsträger vermittelt als bisher. Deshalb bangen die Einrichtungen jetzt um ihre Existenz.

Merlin Schmidt ist im zweiten Lehrjahr bei der Zukunftsbau GmbH. Weil er der Schmalste ist, hat er sich zum Einmauern zur Verfügung gestellt. Sein Hauptschulabschluss war schlecht, in der freien Wirtschaft und bei den Angeboten des Arbeitsamtes hatte er keine Chance. Deshalb war der Jugendliche aus Marzahn froh über einen Ausbildungsplatz bei der gemeinnützigen Firma. Jetzt befürchtet er, dass diese wegen der Kürzungen auf der Strecke bleibt – und er seine Lehre nicht beenden kann.

Doris Lamm hat die Ausbildung zur Damenschneiderin beim gemeinnützigen Ausbildungs- und Kulturcentrum (AKC) schon vor zehn Jahren abgeschlossen. Die heute 30-Jährige setzte noch eine Ausbildung zur Buchhalterin drauf und will sich bald selbstständig machen. Heute stünden ihr alle Möglichkeiten offen, sagte die selbstbewußte Frau. Das war nicht immer so. Mit zwölf Jahren trank sie, später schaffte sie gerade den Hauptschulabschluss. Danach brach sie zwei Ausbildungen ab und wurde beim Autodiebstahl erwischt.

Mit 18 begann sie die Ausbildung als Damenschneiderin beim AKC. „Beim AKC habe ich mich sicher gefühlt.“ Die Ausbilderinnen in dem Mädchenprojekt hätten fast eine Elternfunktion gehabt. „Da merkte ich, dass ich was kann.“ Viele andere Jugendliche haben diese Chance nicht. Nach Angaben des Berliner Arbeitsamt hatten Ende Juli 12.300 Jugendliche noch keinen Ausbildungsplatz. Etwa 2.000 davon sind nach Schätzungen von Elfi Witten, Pressesprecherin der Wohlfahrtsverbände, so genannte Altfälle. Also Jugendliche, die schon seit mehreren Jahren einen Ausbildungsplatz suchen. Die gemeinnützigen Ausbildungsbetriebe bieten zur Zeit 1.300 Ausbildungsplätze für sozial bedürftige Jugendliche an.

Gestern wandten sie sich mit einer Petition an Jugendsenator Klaus Böger (SPD). Sie fordern die Rücknahme der 83 Millionen Euro Kürzungen bei der Jugendhilfe und eine Wiederbelegung der freien Lehrstellen. Außerdem boten sie Böger 1.000 neue Ausbildungsplätze an. Betroffen von den Kürzungen sind aber nicht nur Ausbildungsstätten, sondern auch andere Angebote der Jugendhilfe, darunter Beratungsstellen und Heime. Deshalb beteiligte sich an Protesten gestern auch der Fachverband betreutes Jugendwohnen. Die Demonstration soll der Auftakt einer großen Kampagne sein.

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