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Nur Dunkelziffern für Schill

„Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ vor dem Scheitern: Bundesweit wenig Zuspruch für die rechtspopulistischen Querulanten. Auch in Hamburg eigene Klientel enttäuscht

BERLIN taz ■ Er ist der Spitzenkandidat – aber am liebsten wäre ihm gewesen, man hätte ihn nie dazu erkoren: Ronald Barnabas Schill, Richter Gnadenlos im Brotberuf und seit einem Jahr Innensenator in Hamburg, wollte nicht, dass seine Partei zu den Bundestagswahlen antritt. Die Themen seien nicht danach, als dass es sich lohnte, im Sinne seines rechtspopulistischen Weltbildes Erfolg zu haben, also die Fünfprozenthürde zu bewältigen. Innere Sicherheit, die Ausländerfrage – also jene Themen, mit denen sich Angst und Schrecken verbreiten lässt, sie ziehen nicht. Obendrein gibt es keine Wechselstimmung – anders als vor Jahresfrist in seiner Heimatstadt, als ein akuter Verdruss über Rot-Grün ihn und die Seinen ins Rathaus (und in Koalition mit Union und FDP) hievte.

Trotzdem heißt es aus Schill-Kreisen, dass man im Hinblick auf den Wahlsonntag optimistisch sei. Allein: Wahlforscher geben zu dieser Hoffnung keinen Anlass. Kein Institut sieht die Rechtspopulisten im grünen Bereich, günstigenfalls gut ein Prozent werden ihnen prophezeit: „Selbst wenn man eine Dunkelziffer von hundert Prozent hinzurechnet“, so Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen, „wäre die Schillpartei eine quantité négligeable“, also eine zu vernachlässigende Größe.

Hierzu mag auch beitragen, dass die versprochene Politik Schills in Hamburg nicht zu dessen Popularität beigetragen hat: Weder sanken die Kriminalitätsziffern noch wurden Initiativen zur Integration von Ausländern begründet. Stattdessen verlor sich das Engagement der Schillpartei in der Beseitigung von Verkehrspollern, der Entfernung von Geschwindigkeitsmessern an Hauptverkehrsstraßen und in einer absurden Diskussion um die Einführung neuer Polizeiuniformen – statt in Grün sollen die Ordnungshüter bald in Blau öffentlich auftreten.

Fänden jetzt abermals Bürgerschaftswahlen statt, so belegen es Umfragen, würde die Schillpartei von knapp 20 auf 10 Prozent abgestraft. Insgesamt hätte die anti-rot-grüne Koalition keine Mehrheit mehr. Alles in allem scheint dies die (demoskopisch ermittelte) Quittung für eine Politik zu sein, die die weitere Benachteiligung von Unterprivilegierten zur Folge hat.

Auf Bundesebene besagen die Prognosen noch katastrophalere Werte: Nur fünf Prozent der Wählerschäft Hamburgs würden die Rechtspopulisten gerne im Bundestag sehen. Der Union und ihrem Kandidaten kommt das gelegen: Stimmen für den Richter Gnadenlos sind solche, die ihr fehlen könnten. JAN FEDDERSEN

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