piwik no script img

Höl-len-freude mit dem Outdoor Pa

Tom Cruise war mit Steven Spielberg für dessen neue Produktion „Minority Report“ auf Ochsen-Tour in Berlin

Wenn man die Wahl hat, dann sollte man die Zeit lieber mit Aufräumen verbringen. Könnte man meinen. Genau weiß man’s natürlich nie, aber Tom Cruise wirkte zumindest bei der Pressekonferenz zum neuen Spielberg-Film „Minority Report“ am Donnerstagnachmittag im Deutschen Architektur Zentrum ungefähr wie eine Mischung aus dem Mann aus den Bergen, Reinhard Mey und einem Jesus Freak.

Saß da bärtig herum (Mann aus den Bergen!) im flauschigen Pullover, grinste (eine befreundete Zahnärztin bemängelte gleich die „unmögliche Krone“) und warb für Scientology (Jesus Freak!). Also nicht ausschließlich, er erzählte auch viel von seinen Kindern und dass die armen nur dreieinhalb Stunden pro Woche fernsehen dürften. Pro Woche, das muss man sich mal vorstellen, da ist gerade mal South Park, Futurama und eine Talkshow plus Werbung drin, den Rest der Zeit müssen sie mit ihrem Outdoor Pa „hiking, biking and climbing“ (Reinhard Mey!) machen.

Spielberg klang da ein bisschen realistischer: Seine Kinder dürfen jeden Tag eine Stunde in die Glotze gucken, aber erst nach den Schularbeiten und erst in ihren „cosy clothes“. Man merkte den Profis nicht an, dass sie auf Ochsen-Science-Fiction-Tour sind. Weil die beiden natürlich seit 20 Jahren befreundet sind, so wie alle in Hollywood, waren die Dreharbeiten auch ein Rie-sen-spaß, eine Höl-len-freude, eine Gaudi wie nichts anderes.

Und dann die ernsteren Dinge, die Busenfreunde hatten sich gerade warm geredet. Spielberg zum Thema Todesstrafe und die Möglichkeit, Verbrechen vorherzusagen, wie seine Precrime-Einheit das im Film tut: Er sehe natürlich die große Gefahr in solchen Quasi-Überwachungssystemen wie der Precrime-Division, aber das sei schließlich in einer fiktiven Zukunft mit einer fiktiven, extrem hohen Mordrate. Und Cruise, den man wohl nur kurz in Sachen „Kommt alle, meine Schäfchen“ anpieksen muss, nutzte die Chance gleich, um ein paar besonders interessante Inventionen seines Meisters L. Ron Hubbard zu loben, dessen fantastisches Antidrogenprogramm zum Beispiel oder die Anti-Crime-Solutions.

Nebenbei wurde kräftig Geld gesammelt für die Flutopfer in Dresden. Am Abend, im überfüllten Kosmos-Kino, hatte man 18.000 Euro zusammen, und das passt hervorragend zu Cruises nachmittäglicher Aussage, mit klarem Blick und entblößtem Stiftzahn, er glaube fest an das Gute im Menschen (wollen Sie nicht doch mal kurz einen Blick in den Hubbard-Leitfaden werfen?). Später, bei der Premierenparty in einer dunklen, staubigen Tiefgarage oder etwas ähnlich Ungastlichem am Potsdamer Platz, konnte man die 20 Euro Kino-Eintritts-Spende quasi einfach mit Häppchen und Spaßgetränken wie nach Pilz riechendem und schmeckendem Kefir-Sprudel, uärgh, wegnippeln, wenn man wollte und wenn man Lust auf etwas Tiefgaragen-Sponsor-Atmosphäre hatte. Denn wo soll ein Autosponsor schon feiern? Eben. JENNI ZYLKA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen