: Keine fliegenden Hunde
Der Schauspieler Martin Semmelrogge wieder vor Gericht, weil sein Hund nicht jetten durfte und er deshalb BA-Mitarbeiter beleidigt hatte. Aber gütliche Einigung am Ende
Der Schauspieler Martin Semmelrogge hat einen Hund. Sein Herz hängt an diesem Tier. Er spricht von „Crazy“, dem Hirtenhund, liebevoller als von seiner Frau. Das stellt auch der Richter vom Amtsgericht fest. Ganz nett wird die Stimme von Martin Semmelrogge da – geradezu lieb.
Diese Freundlichkeit fällt auf, weil der 46-jährige Schauspieler nicht gerade bekannt ist für gutes Benehmen. Im Fernsehen spielt er die rauhen Kerle. Im echten Leben stand er schon 26-mal vor Gericht. Betrunken raste er im Sportwagen duch Autobahnbaustellen, fuhr schon als Teenager immer wieder ohne Führerschein los, hat geklaut, hat rumgepöbelt, Leute beleidigt, diverse Drogendelikte angehäuft.
Nun hat er wieder ein Verfahren am Hals. Diesmal soll er im vergangenen November am Flughafen Tegel den Angestellten der Fluggesellschaft Deutsche BA beleidigt haben, der seinen Hund nicht mitfliegen lassen wollte. „Sie Scheißausländer“, soll Semmelrogge gerufen haben, „lernen Sie erst mal Deutsch!“ Der Angestellte hat Anzeige wegen Beleidigung erstattet. 5.000 Euro will er als Entschädigung haben. Gestern kam es vor dem Amtsgericht zum Prozess.
Semmelrogge, der mit nervös guter Laune auf der Anklagebank sitzt, streitet alles ab. Wegen eines dringenden Termins hatte er an dem besagten Tag nach München fliegen wollen, erzählt der drahtige, kleine Mann. Sein Hund sollte als Handgepäck mit in den Passagierraum. Das Tier war jedoch zu schwer, fanden die BA-Mitarbeiter am Schalter. Fünf Kilo inklusive Transportkiste sind im Passagierraum zugelassen. Semmelrogges Hund habe jedoch 14 Kilo gewogen, sagt die BA-Angestellte H., die als Zeugin geladen war. Sie konnte „Crazy“ nicht mitfliegen lassen. Der Schauspieler habe angefangen zu brüllen, ihren Kollegen F. angeschrien mit „Scheißausländer“. Semmelrogge antwortet jetzt nur: Ja, ja – er sei an jenem Tag schon sehr wütend gewesen.
Der Richter zeigt Verständnis, macht Witzchen über bürokratische Schalterangestellte und den Angeklagten, der eben ein „sensibler Künstler“ sei, „der nicht immer alles unter Kontrolle hat“. So einer werde eben wütend, wenn man ihn nicht als Berühmtheit bevorzugt behandelt. Die Stimmung im Gerichtssal ist heiter. Selbst Semmelrogge entspannt ein bisschen, streckt die Füße nach vorn. Es ist klar, dass es hier um keine große Sache geht.
Am Ende steht die gütliche Einigung. Semmelrogge zahlt 1.000 Euro Schmerzensgeld. Mit Handschlag entschuldigt er sich bei dem 28-jährigen Kläger F., sagt: „Es tut mir Leid, überhaupt brauchen wir mehr Frieden unter den Völkern“ und reicht ihm einen Scheck.
F., der inzwischen seinen Beruf gewechselt hat und jetzt als Model arbeitet, zieht dafür seine Anzeige zurück. Der Richter, der nun ein bisschen ins Plaudern gekommen ist, erzählt, dass er gerade wieder eine Rolle als Fernsehrichter ausgeschlagen hat. Der Hirtenhund „Crazy“ wartet vor dem Gerichtsgebäude im Auto. KIRSTEN KÜPPERS
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