: Der Superlativ des Schreckens
Heftige Kritik kirchlicher FlüchtlingsberaterInnen an „fremdenfeindlicher“ Politik des neuen Senats: Unterstützung wird „systematisch zerschlagen“. Ausländerbehörde baut offenbar dem neuen Zuwanderungsgesetz vor
von HEIKE DIERBACH
„Kein Schrecken ist groß genug, als dass er nicht noch steigerungsfähig wäre.“ So lautet die Bilanz der Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Flüchtlingsarbeit nach einem Jahr Schwarz-Schill in Hamburg. Zum heutigen internationalen Tag des Flüchtlings (siehe auch S. 7) warnt die AG vor der „systematischen Zerschlagung“ der Hilfe für Flüchtlinge und fordert auch von der Kirche, sich dem entgegenzustellen.
Schon unter Rot-Grün hätten es Flüchtlinge in Hamburg schwer gehabt, so die Erklärung der AG, der unter anderem das Diakonische Werk und die Beratungsstelle Fluchtpunkt angehören. Jetzt aber seien die Zustände „alarmierend“, und zwar in allen Bereichen. Die AG setzt dem konkrete Positiv-Forderungen entgegen.
Beispiel Unterbringung: Der Senat plant, die chronisch überfüllten Wohnschiffe in Neumühlen abzuschaffen. „Dies ist aber nicht als Erfolg zu werten“, warnen die Flüchtlingsberater, „denn die dafür geplante Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung wird faktisch ein Ausreisezentrum sein.“ So soll es keine unabhängige Beratung mehr geben, stattdessen setzt man bei den gerade eingereisten Flüchtlingen auf die „Förderung der freiwilligen Rückkehrbereitschaft“. Die AG fordert schon seit langem, Flüchtlinge gar nicht mehr zent- ral, sondern in regulären Wohnungen unterzubringen.
Beispiel Kinderflüchtlinge: Seit dem Regierungswechsel wurden die Plätze für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge „radikal reduziert“, so die AG. Dies sei nur möglich gewesen, weil die Ausländerbehörde Asyl suchende Kinder und Jugendliche „systematisch älter macht“. Gleichzeitig würden diese durch Innenbehörde und Presse pauschal mit Drogendealern gleichgesetzt. Künftig sollen auch Zwölfjährige schon vor ihrer Abschiebung in einem geschlossenen Heim interniert werden. Die AG fordert, dass für ausländische Kinder und Jugendliche dieselben Rechte gelten müssten wie für deutsche.
Beispiel traumatisierte Flüchtlinge: Der Bedarf an Betreuung für Menschen, die Folter, Vergewaltigung und Kriegshandlungen erleben mussten, war bereits in der Vergangenheit in Hamburg nicht gedeckt. Lange Wartezeiten für Hilfesuchende waren die Folge. Jetzt aber, so die AG, würden die wenigen entsprechenden Praxen und sogar AmtsärztInnen noch von der Staatsanwaltschaft wegen angeblicher Gefälligkeitsgutachten „unter Generalverdacht genommen“. Das habe dazu geführt, dass derzeit kein Amtsarzt mehr Flüchtlinge begutachtet: „Dadurch werden auch schwerst kranke Menschen abgeschoben“, kritisiert die AG. Sie fordert, ein Behandlungszentrum einzurichten und Gesundheitsgutachten vor Abschiebungen zu berücksichtigen.
Beispiel Aufenthaltsbefugnis: Wenn das rot-grüne Zuwanderungsgesetz am 1. Januar 2003 in Kraft tritt, wird es mehr MigrantInnen die Chance auf ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland eröffnen. Voraussetzung ist aber, dass sie zuvor im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis oder -erlaubnis sind. Die Hamburger Ausländerbehörde, so die AG, habe deshalb ihre MitarbeiterInnen offenbar angewiesen, generell keine Aufenthaltsbefugnis mehr zu erteilen. „Es sieht so aus, als sollte vorher die Zahl der hier lebenden Menschen reduziert werden.“
Die Politik des neuen Senates sei fremdenfeindlich, resümiert die AG. Hinzu kämen rassistische Äußerungen einzelner Bürgerschaftabgeordneter: „Die so geschürte Fremdenangst vergiftet das soziale Klima der Stadt.“
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