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KüstenplattDas Französische am Norden

Danz mit Schißlaweng

Am liebsten schlüpft er in die Rolle des Gastwirts. Acht Schnäpse lang dauert seine plattdeutsche Geschichte und nach jeder Pointe darf er sich einen genehmigen. „Das ist Pläsier und auch 'Amüsemang' für mich“, sagt Peter Kämpfert (45), während er ganz nebenbei dem Publikum seine Botschaft unterjubelt. „Buddel“ stamme von „bouteille“, und das sei nur ein Beispiel von vielen für den französischen Einfluss im Küstenplatt. Der Lehrer aus Cadenberge (Kreis Cuxhaven) hat darüber zwei Bücher geschrieben.

Von Allüren bis Zivilisation reicht das breite Spektrum der akribischen Spurensuche. In seiner Ein-Mann-Show verblüfft Kämpfert seine Zuhörer immer wieder aufs Neue. Wer am Wochenende beim „Danz op de Deel“ mit „Schißlaweng“ (Schwung) sein Pläsier sucht, weiß sowieso Bescheid: Da „pussiern“ die Jungs mit den Deerns und der „Filu“ tanzt mit der „Mamsell“ eine Polonäse auf dem Parkett. So mancher hat einige „Buddels“ intus, für die er viel Geld „verswutjert“ hat. Am nächsten Morgen fühlt er sich dann mächtig „plümerant“.

Rund 1600 Lehnwörter hat Kämpfert auf Wortstamm, Herkunft und Verwendung untersucht. „Schon als Jugendlicher war mir aufgefallen, dass mein Großvater viele Ausdrücke aus dem Französischen benutzte.“ 1997 veröffentlichte der Pädagoge sein 398 Seiten starkes Wörterbuch, im vergangenen Jahr folgte ein Gedicht- und Erzählband. „Es war nicht erst Napoleon, der uns das Französische beschert hat,“ betont der Lehrer. Als die Niederländer vor 800 Jahren die Weser- und Elbmarschen kolonisierten, hätten sie Wörter wie „de Schlüüs“ oder Kaje mitgebracht. „Sie standen selbst unter starkem Einfluss der französischen Oberschicht.“

Mit der Hanse und ihrem von Flandern ausgehenden Tuchhandel importierten die Norddeutschen so alltägliche Ausdrücke wie Sorte. Die Nachahmung französischer Kultur und Lebensart im 17. und 18. Jahrhundert bewirkte ein Übriges. „Bezeichnungen wie Manschetten, Rüschen und Puschen verbreiteten sich ebenso wie Courage, Canapee, Chaussee oder Mansarde“, erklärt Kämpfert. „Plümerant“ stamme vom französischen „bleu mourant“, zu Deutsch „sterbendes Blau“, das auf die bleiche Gesichtsfarbe bei Schwindelanfällen anspiele. „Die Leute haben die Wörter so umgeformt, wie ihnen der Schnabel gewachsen war.“

Während im Hochdeutschen der französische Einfluss nach dem Ersten Weltkrieg immer mehr verschwand, hat er sich im Plattdeutschen bis heute erhalten. Kämpferts Erklärung: „Die Leute hatten nicht so ein sprachgeschichtliches Bewusstsein.“ Es habe keine große Rolle gespielt, woher die Ausdrücke kamen, sondern das Motto habe gelautet: „Jo, dat het Opa seggt, so schnackt wi ok wieter.“ Bei einigen Ausdrücken wandelte sich auch die Bedeutung. Der Feudel, der von „voile“ abstammt, erlebte einen tiefen Absturz vom Schleier zum Wischlappen. dpa

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