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Was heute Pop genannt würde

Bruno Balz – der Mann, der mit seinen Texten aus Schlagern Evergreens machte. Er liebte die Männer, die einfachen Worte und die Diven

Gute Melodien gibt es viele, damit aus ihnen jedoch Schlager, ja Evergreens werden, braucht es eine Zeile, die man mitsingen kann, die sich einprägt ins Erbe einer Sprache. Bruno Balz hatte dieses Fingerspitzengefühl. „Kleine Möwe, flieg nach Helgoland“, „Ich brech’ die Herzen der stolzesten Frauen“ oder „Wir wollen niemals auseinandergehen“: Das sind nur einige der bekanntesten Zeilen, die aus Walzern, Foxtrotts, Schunkelliedern und Hymnen das machen, was früher Schlager hieß und heute Pop genannt würde.

Bruno Balz hatte das seltene Talent, frei von literarischen Allüren aus der Alltagssprache Texte zu zimmern. Vor 100 Jahren am Stadtrand von Berlin geboren, der Vater Sattler, die Mutter Hausfrau, wuchs er in der quirligsten Stadt Europas auf. In keiner anderen Metropole mischten sich proletarische Kulturen so sehr mit großbürgerlichen Szenen, trafen so hart Aufsteiger- mit Verlierermilieus aufeinander: Millionen Hoffnungen – und Balz wollte auf gar keinen Fall auf der Strecke bleiben.

In den Zwanziger-Jahren genoss Balz in seiner Heimatstadt alles, was Lust und Neugierden zu befriedigen versprach. Er liebte die Diven – und später vor allem Zarah Leander, die Schwedin mit der Stimme eines Transsexuellen. Irgendwann am Ende des Ersten Weltkriegs hatte Balz sein Coming-out – was ihn keineswegs bewog, versteckt und beschämt zu leben. Im Gegenteil: Balz traf den jüdischen Arzt und homosexuellen Bürgerrechtler Magnus Hirschfeld, ließ sich vom Szenefotografen Adolf Brand nackt ablichten, trat dem (schwul-lesbischen) „Bund für Menschenrechte“ bei und machte, quasi nebenbei, Karriere als Textdichter.

Balz wollte auch unter den Nazis seine Homosexualität nicht verleugnen. Zweimal wurde er deshalb nach Paragraf 175 mit Gefängnis bestraft – und entkam einer KZ-Haft (nach einer Denunziation von Kollegen) nur aufgrund einer Fürsprache höherer Nazichargen, weil sie für einen Zarah-Leander-Film neue Balz-Texte brauchten. Dass dabei auch der Durchhalteschlager „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen“ entstand, gehört zur bitteren Ironie in der Vita jenes Mannes, der selbst nie Nazi, geschweige denn nazifreundlich war.

In der Wirtschaftswunderära des neudemokratischen Deutschland zählte Balz wieder zu den Prominenten des Unterhaltungsgewerbes, war aber immer noch bedroht vom Naziparagrafen 175, denn die Adenauerregierung behielt das Verbot von Homosexualität bei: Doch Balz verschwieg nie, dass seine Liebe Männern galt – was ihn anspornte, homosexuellen Untergrundgruppen oft Geld zu spenden.

Zarah Leander, durch die Nazizeit in Deutschland diskreditiert, sollte, so hoffte Balz, ein Comeback bekommen. Doch die entscheidende Michael-Jary-Komposition wird schließlich Heidi Brühl, ein Wirtschaftswundermädchen, singen und nicht die Schwedin: „Wir wollen niemals auseinandergehen“. Es wurde der Hit des Jahres 1960. Sein letzter Gassenhauer war „Mama“. Von Balz 1941 verfasst, wurde es erst 1968 in der Version von Heintje zum Millionenseller.

Am 14. März 1988 starb Balz, den Kollegen und Freunde als ausgesprochen freundlich, unverspannt und warmherzig schildern, im Alter von 85 Jahren im bayerischen Bad Wiessee.

JAN FEDDERSEN

Die Doppel-CD „Der Wind hat mir ein Lied erzählt – ein Hommage an den Textdichter Bruno Balz“ (Monopol Records), von Jürgen Draeger herausgegeben und auch mit Zeichnungen versehen, enthält 36 der größten Balz-Hits.

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