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INTERNATIONALE GEMEINSCHAFT MUSS NATIONALISTEN AUF KURS BRINGENKatzenjammer in Bosnien

Der Katzenjammer bei den internationalen Institutionen in Bosnien ist groß. Kurz vor den Wahlen stellten sie die Bevölkerung vor die Alternative „Reform oder Vergangenheit“. Nun, nach der Niederlage der nicht nationalistischen Reformparteien, definieren sie die Nationalisten plötzlich zu Reformern um. Die abenteuerliche Argumentation des Hohen Repräsentanten Paddy Ashdown kann nicht akzeptiert werden. Richtig dagegen ist, dass die von der OSZE durchgesetzten Wahlen überflüssig waren wie ein Kropf.

Indem man der sozialdemokratisch geführten Regierung nur zwei Jahre Zeit gegeben hat, die notwendigen Reformen im Staat und in der Wirtschaft durchzusetzen, führte man sie von vornherein in eine ausweglose Lage. Hinzu kommt, dass ausgerechnet für die Reformregierung weniger finanzielle Hilfe zur Verfügung stand als vorher. Die Härten waren also spürbar, die Erfolge noch nicht sichtbar. Verständlich, dass viele Leute enttäuscht zu Hause blieben, fast die Hälfte aller Wähler. Und andere der Opposition den Vorzug gaben. Dass nun auch bei der größten Bevölkerungsgruppe, den bosnischen Muslimen – und nicht nur wie bisher bei Serben und Kroaten – die Nationalpartei wieder zur stärksten der Parteien geworden ist, hat zudem mit äußeren Faktoren zu tun. Der seit dem 11. September 2001 spürbare Sympathieverlust im Westen hat die bosnischen Muslime wieder enger zusammenrücken lassen. Die US-Politik in Nahost und der drohende Krieg im Irak haben dem Ansehen der führenden Ordnungsmacht in Bosnien geschadet. Die Drohungen aus Belgrad, Serbien habe seinen Anspruch auf die serbische Teilrepublik in Bosnien noch nicht aufgegeben, taten ein Übriges. Verunsicherte Bevölkerungen scharen sich gewöhnlich um die scheinbar Starken. Völlig falsch allerdings wäre es, nun den Stab über Bosnien zu brechen. In einem hat Ashdown ohne Zweifel Recht: Nach wie vor will die Mehrheit der Bevölkerung nach Europa. Und er hat immer noch Machtmittel in der Hand, die Nationalisten auf Kurs zu bringen. Auch sie sind auf die Finanzhilfen von außen angewiesen. ERICH RATHFELDER

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