: Der Auftrag zum Auftrag zum Mord
17.000 Euro soll eine Bordellbesitzerin für den Tod ihres Gatten angeboten haben. Der Täter bekam am Ende nur einen Bruchteil. Zahlreiche Subunternehmer hatten sich in die Befehlskette eingemischt. Sie stehen nun alle vor Gericht
Die Aussicht auf ein Leben in wunderbarem Reichtum ist ein wesentlicher Antrieb für kriminelles Handeln. Die finanzielle Ausbeute eines Verbrechens dividiert sich in der Regel durch die Zahl der Täter. Bei der gestern am Landgericht verhandelten Angelegenheit gestaltete sich die personelle Arbeitsteilung möglicherweise jedoch so unübersichtlich, dass dieser Aspekt Probleme aufwerfen musste, genauer die Frage, ob sich ein solches Gruppenverbrechen für den Einzelnen wirtschaftlich überhaupt noch lohnt.
Da wäre zunächst einmal die 61-jährige Renate J. Ihres Mannes war sie im Laufe einer langen Ehe überdrüssig geworden. Der Verkauf des von ihm betriebenen Fahrradladens würde überdies ein hübsches Sümmchen ergeben. Kurzum: An einem nicht mehr genau bestimmbaren Tag Anfang Januar diesen Jahres fasste Renate J. den Entschluss, ihren Ehemann töten zu lassen. So steht es in der Anklage.
Das weitere Geschehen soll laut Staatsanwaltschaft so verlaufen sein: In dem von ihr betriebenen Neuköllner Bordell sprach Frau J. die Prostituierte Birgit R. an und versprach ihr 17.000 Euro für den Mord an ihrem Mann. Da R. ihrer Chefin den Handel nicht abschlagen wollte, die Tat aber auch nicht selbst auszuführen gedachte, brachte sie ihren Freund Ali K. ins Spiel: ein Kerl von einem Mann, mit langen Haaren, der auch bei winterlichen Temperaturen im T-Shirt erscheint. In unseriösen Geschäften ist er nicht ganz unbeleckt: Er sagte zu.
Es mag an persönlicher Zuneigung liegen oder an einem Pflichtgefühl, die Verwandtschaft bei größeren finanziellen Transaktionen mitverdienen zu lassen, jedenfalls beschloss Ali K. auch seinen Neffen Cem K. an der Sache zu beteiligen. Dieser hatte nun wiederum einen Nachbarn mit Geldsorgen. Und jener 18-jährige Steve E. war es schlussendlich, der von allen zur ausführenden Kraft bestimmt wurde. 12.500 Mark sollen ihm für den Mord am Fahrradhändler versprochen worden sein, heißt es in der Anklage.
Wenn es tatsächlich so gewesen ist, hatte indes keiner der Beteiligten mit E.s schwachen Nerven gerechnet. Als der junge Mann am 6. Februar mit einem Messer in der Hosentasche im Fahrradladen stand, fand er sein Opfer „plötzlich ganz nett“. So erzählte es der Angeklagte wenigstens gestern dem Richter. Zweimal zugestochen hat er zwar, „aber ich wollte ihn nicht töten“. Weinend sei er aus dem Laden geflüchtet. Der Fahrradhändler überlebte schwer verletzt.
Abends sei er dann mit Ali K. bei der Auftraggeberin und Ehefrau des Fahrradhändlers auf dem Sofa gesessen, erklärte E. gestern weiter. 50 Euro hätte diese ihnen ausgehändigt. „Sie ist ein bisschen sauer gewesen, dass ihr Mann nicht tot war.“ Die beiden Männer hätten ihr „mit etwas Druck“ später noch 300 Euro entlocken können, meinte E. Das war alles.
Zu diesem Zeitpunkt kann es gewesen sein, dass E. erste Kosten-Nutzen-Rechnungen aufgestellt hat. Wenig später jedenfalls stellte er sich der Polizei. Ali K. wurde kurz darauf in einem Dortmunder Industriegebiet aufgegriffen.
Neben den beiden Männern müssen sich seit gestern auch Cem K., die Prostituierte Birgit R., und die vermutliche Auftraggeberin Renate R. vor dem Richter verantworten. Die Frau des Fahrradhändlers hat bisher im Prozess geschwiegen. „Ihr geht es sehr, sehr schlecht“, sagte ihre Anwältin nur. Sie geht davon aus, dass die ganze Geschichte anders verlaufen ist. Ihre Mandantin sollte als Bordellbetreiberin mit der Tat erpresst werden, um ausstehende Schutzgelder zu zahlen, erklärte dei Rechstanwältin gestern in einer Verhandlungspause.
Auch das Opfer, der Fahradhändler R., glaubt an die Unschuld seiner Frau. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie dahinter steckt“, sagte er am Rande des Prozesses. Er habe mit seiner Frau nach dem Vorfall telefoniert, woraufhin zehn Minuten später Hilfe gekommen sei. Ein Scheidungsverfahren zwischen den beiden läuft. Der Prozess um den vermeintlichen Auftragsmord wird heute fortgesetzt.
KIRSTEN KÜPPERS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen