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Urnengang mit „Vorwahlfälschung“

Bei den heutigen Wahlen in Pakistan wird genau drei Jahre nach dem Putsch von General Musharraf eine Regierung von seinen Gnaden gewählt. Die Expremiers Bhutto und Sharif können so wenig antreten wie Kandidaten mit offenen Stromrechnungen

aus Delhi BERNARD IMHASLY

Als am Dienstag die rund 70 Parteien mit Kundgebungen den Wahlkampf offiziell beendeten, fielen die der größten Parteien auf. Denn deren Führer sprachen alle aus dem Exil. Benazir Bhutto von der Volkspartei sprach über Satellit aus Dubai, Nawaz Sharif von der Muslim-Liga ließ seine im saudischen Riad geschriebene Rede verlesen, und Altaf Hussain von der Regionalpartei MQM wandte sich per Telefon aus London an seine Anhänger in Karatschi. Bhutto wird aus Pakistan wegen drohender Gerichtsklagen fern gehalten, Sharif hatte sich vor zwei Jahren ins Ausland abschieben lassen, um aus der Haft zu kommen, und auf Hussain steht seit 1992 ein hoher Kopfpreis.

Nicht nur wegen der Abwesenheit der drei Publikumsmagneten ist der Wahlkampf um die 332 Parlamentsmandate in Islamabad und die Sitze in vier Provinzkammern der langweiligste, den Pakistan in den wenigen Jahren seiner Demokratie erlebte. Die Militärregierung ließ auch zahlreiche öffentliche Plätze für Wahlkampfauftritte sperren.

Der Vorwand der Korruptionsbekämpfung führte zu strenger Kontrolle der Finanzen der Kandidaten, was viele Politiker schon wegen unbezahlter Stromrechnungen disqualifizierte. Andere scheiterten an der von vielen als diskriminierend verurteilten Regel, die nur Kandidaten mit mindestens mittlerer Schulreife zuließ. Und um eine Kandidatur von Bhutto oder Sharif aus dem Exil zu verhindern, hatte Militärmachthaber Pervez Musharraf mehr als zwei Amtsperioden verbieten lassen. Damit schieden die beiden aus, die jeweils zweimal Premier waren.

Entscheidend für die Wahllethargie war aber die Wiedereinführung eines Verfassungsparagraphen, der es Musharraf erlaubt, die Regierung zu entlassen, sowie die Bestimmung, dass der mit den drei Militärchefs bestückte neue Sicherheitsrat auch das Parlament auflösen kann. Damit bleibt die Macht beim Militär. Hinzu kam, was die Menschenrechtskommission „Vorwahlfälschung“ nannte. Die Chancen einzelner Parteien wurden verbessert, etwa durch die Bevorzugung in den staatlichen Medien und durch die Verwaltungsmaschinerie oder durch erzwungene Rücktritte von Gegenkandidaten.

Die Umfragen geben Bhuttos Volkspartei die meisten Stimmen, wenn auch keine Mehrheit. Sie könnte sich aber mit dem Muslim-Liga-Flügel ihres ehemaligen Rivalen Sharif verbünden und so eine Mehrheit erreichen. Damit wäre der Konflikt zwischen Parlament und Präsident vorprogrammiert. Das Regime ermunterte deshalb „unabhängige“ Politiker, etwa Distriktvorsitzende, zur Kandidatur und ordneten ihnen ein gemeinsames Wahlsymbol, einen Halbmond, zu. Mehrere Halbmond-Kandidaten stehen dem Regime nahe. Es wird deshalb geargwöhnt, Musharrafs Wahlstrategen könnten aus den erfolgreichen Abgeordneten eine eigene Parlamentsfraktion schmieden.

In allen Parteiprogrammen ist die Beziehung zur Armee der wichtigste Punkt der Positionierung. Bhuttos Volkspartei und die Muslime-Liga (Sharif-Flügel) beteuern, die Militärs in die Kasernen zurückzuschicken. Auch der Quaid-Flügel der Muslim-Liga, von Bhutto und Sharif als „Königspartei“ verschrien, ist gegen eine Militärdiktatur, gibt den Militärs aber eine verfassungsmäßig starke Rolle.

Die fünf wichtigsten islamistischen Parteien wollen in einem Bündnis ihre bescheidenen Chancen verbessern. Auch sie fuhren im Wahlkampf einen scharfen Anti-Musharraf-Kurs, dem sie die Aufgabe Afghanistans, Kaschmirs und der islamischen Staatsidee vorwerfen. Ihre Klammer ist ein deutlicher Anti-US-Kurs. Sie hoffen damit eine Washington-kritische Stimmung aufzufangen, die sich wegen der Irak-Debatte noch verschärft hat, und so erstmals über fünf Prozent der Stimmen zu kommen.

Die Differenzen der Musharraf-Gegner zur Rolle des Islam könnten ein zersplittertes Parlament hervorbringen. Es würde Musharraf helfen, eine Parlamentsmehrheit zu zimmern, die seine führende Rolle für weitere fünf Jahre akzeptiert.

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