: Den Text im Körper
Jakarta, Manila, Belgrad, Kairo: Das Tanztheater des Bremer Theaters probierte – gelockt von Goethe-Instituten – von der süßen Frucht des Kulturaustausch-Jet-Set
Schwierig, die Sache mit dem Kulturaustausch. So ein deutscher Dichter beispielsweise, der auf Einladung des Goethe-Institutes in Übersee sein Buch zur Lesung aufschlägt: Gut möglich, dass er im Publikum nur die Familie des deutschen Botschafters und eine handvoll Deutsch-Studenten findet. Sprachbarrieren zeigen den deutschen Dichtern und Denkern die Stirn. Leichter wird‘s, wenn die Kulturaustausch-Kultur ohne das gesprochene Wort auskommt. Wenn die Aussage in der Geste, das Gefühl in der Mimik, der Text im Körper stecken. Tanztheater kann sowas. Richtig vorne in Sachen Tanztheater-Kulturaustausch ist – man erfährt‘s hier und da in Spaltenmeldungen – das Tanztheater des Bremer Theaters.
Vergangenes Frühjahr war die Truppe um Urs Dietrich bereits in Taschkent – auf Einladung des dortigen Goethe-Instituts. Diesen Sommer avancierten die TänzerInnen im Auftrag der jeweiligen Goethe-Institute zum Kulturaustausch-Jet-Set: Jeweils eine Woche Jakarta, Manila, Belgrad und Kairo. Zwischen der Rückkehr aus Belgrad und dem Abflug nach Kairo lag nur eine Nacht. Für die das Ensemble übrigens nach Bremen zurückkehrte – um die Koffer umzupacken.
Insgesamt 18 Personen und vier Koffer Kostüme, in Jakarta im Edel-Ambiente eines alten holländischen Theaters, in Manila in dem Theater eines ehemaligen Militärcamps. Tänzer Tomas Bünger: „Der Goethe-Institutsleiter in Manila hat keinen Eintritt verlangt. Der wollte, dass da ganz normale Leute kommen und sich das ansehen.“ Was die auch taten: Rund 600 Phillipinos sahen die Stücke EVERY.BODY und das Urs-Dietrich-Solostück HERZ.KAMMERN.
Allerdings: Verständnisschwierigkeiten und Irritationen gibt‘s auch bei der „universellen Sprache des Tanzes“ (Urs Dietrich). Nur halb sichtbare Hände über dem Bühnenrand beispielsweise oder zwei am Ärmel zusammengenähte Menschen – in der Bürgerkriegsstadt Belgrad wird damit aus EVERY.BODY ein Stück über den Krieg.
In Kairo dagegen im Fokus der Zuschauer-Aufmerksamkeit: Der Körperkontakt zwischen männlichen und weiblichen Tänzern. Tomas Bünger: „Da gab es eine gesunde Unsicherheit über den Anteil des Erotischen in dem Stück. Eine Zweideutigkeit der Wahrnehmung.“ Urs Dietrich ergänzt: „Sehr viele Leute haben sich darüber gewundert, wie stark die Frauen in dem Stück sind. Alle auf der Bühne sind gleichberechtigt – das hat die Leute beschäftigt.“
Zurück in Bremen probt das Tanztheater derzeit für das nächsten Stück ORT.LOS. Außerdem steht die Reise-Planung für das nächste Jahr an: Hongkong ist angedacht, Shanghai und Italien. Was für die Ensemblemitglieder mitunter eine Reise in die eigene Heimat bedeuten könnte: Das Tanztheater Bremen ist in seiner Zusammensetzung multikulturell geprägt, die Ensemblemitglieder stammen aus insgesamt zwölf Nationen. kli
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