: Olympia droht ans Wasser zu fallen
Prüfungskommission des Nationalen Olympischen Komitees überschlägt sich nach zweitägiger Visite in Hamburg vor Lobeshymnen auf die „beeindruckende und faszinierende Bewerbung“ der Hansestadt für die Olympischen Spiele 2012
von SVEN-MICHAEL VEIT
„Beeindruckend“, in Hamburg ist alles beeindruckend. Und „faszinierend“: Das Konzept der Stadt für die Olympischen Spiele 2012, die geplanten Sportstätten in der Hafen-City und an der Norderelbe, diese Atmosphäre von Wasser und Urbanität, der Enthusiasmus der Verantwortlichen und der BewohnerInnen und auch „dieser prunkvolle“ Phoenix-Saal im Rathaus mit seinen Lüstern und Ölgemälden, die von rumreicher hanseatischer Tradition kündeten.
Die Prüfungskommission des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) kam aus dem Schwärmen kaum noch heraus, als sie gestern nach zweitägiger Visite in der Hansestadt, die so gerne Olympiastadt werden möchte, ihr Ergebnis präsentierte: „beeindruckend und faszinierend“. Schul- und Sportsenator Rudolf Lange (FDP) strahlte darob zufrieden vor sich, und ein Redakteur einer Standort-Postille fragte so leichthin, ob es nicht Zeitverschwendung für die Kommission sei, sich die konkurrierenden Städte überhaupt noch anzuschauen: die hanseatische Selbstgefälligkeit in Reinkultur.
Der allerdings hatten die Kommissäre und vor allem ihr Vorsitzender Dieter Graf Landsberg-Velen kräftig Vorschub geleistet. Das Hamburger Konzept der Spiele in der Stadt und am Wasser sei „wunderschön, das hat es bislang weltweit noch nicht gegeben“. Hamburgs Bewerbung sei „auf sehr hohem Niveau“, für die nationale und internationale Konkurrenz liege „die Messlatte jetzt sehr hoch“.
Ebenso wie Graf Landsberg-Velen übertrafen auch weitere Mitglieder der elfköpfigen Kommission sich im Halten von Lobreden. Roland Baar, Mitglied der IOC-Athletenkommission, lobte besonders die kurzen Wege für die Aktiven. 90 Prozent der Wettbewerbe sollen in einem Umkreis von zwölf Kilometern um das Olympische Dorf in der Hafen-City ausgetragen werden. „Für die Athleten ist das sehr wichtig“, weiß der Olympiasieger im Rudern von 1968 noch aus seiner aktiven Zeit, ebenso wie NOK-Präsidiumsmitglied Klaus Steinbach, in den 70er Jahren ein Schwimmer der Weltklasse. „Diese Nähe“ für die Aktiven sei „ein weiterer großer Pluspunkt“.
Zwar sei noch lange keine Entscheidung gefallen, versuchte Graf Landsberg-Velen zu relativieren. Auch die vier deutschen Konkurrenten würden natürlich „sportlich fair“ unter die Lupe genommen, die Entscheidung fälle im April 2003 einzig das NOK. Und zwei Jahre später sei noch die Hürde vor dem Internationalen Olympischen Komitee zu nehmen. Da könne noch viel passieren.
Gleichwohl müsse er es noch einmal wiederholen, so der Graf: In Hamburg sei alles „sehr, sehr beeindruckend – ohne den anderen Bewerbern wehtun zu wollen“.
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