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Ritterkreuze und Visionen

Verschiedene Autoren und verschiedene Leser produzieren ganz unterschiedliche Tatsachen. Eine beflügelte Rezension der Uni-Presse

von HELENE BUBROWSKI

Auf Tischen in Mensa und Cafés rund um die Uni liegen unzählige Uni-Zeitungen, Falt- und Infoblätter. Über die Eröffnung des vom Bauunternehmer Helmut Greve gespendeten Flügelbaus Ost berichtet fast jede, unter anderem das Info-Blatt des Studentenausschusses „AStA la vista“, die Hochglanzbrochüre „You see – Univercity“ und die Zeitung von Journalistikstudenten „Salz“. Drei Zeitungen, drei Sichtweisen, ein Thema.

„Greve verleiht Flüüügel – und Studis müssen draußen bleiben“, so der ironisch sarkastische Titel des Artikels in „AStA la vista“. Mit dem „Ausschluss der Studierenden von den Feierlichkeiten“ habe Uni-Präsident Jürgen Lüthje „jegliche Art von kritischen Kommentaren und Protesten“ zu verhindern versucht. Gründe für diese gäbe es allerdings genug: So sei Hochschulsponsoring generell „ein Problem“, auch weise die Vergangenheit des Spenders „dunkle Kapitel“ auf: Im zweiten Weltkrieg wurde Greve das Ritterkreuz verliehen – „und das bekam er ganz bestimmt nicht für wohltätiges und soziales Engagement“, vermutet der Autor.

Auf ganz andere Weise beschreibt das offizielle Unimagazin „You see“ die Situation in der im Juli erschienenen Nullnummer. Der Artikel heißt „Eine Vision wird Wirklichkeit“ und beschwört den „historischen Moment in der Geschichte der Universität“. Denn „dank der großzügigen Stiftung“ bildeten das Hauptgebäude und die Flügelbauten wieder das „Herzstück der Universität“.

Der Autor beschreibt die Neubauten als „Orte der Begegnung und Kommunikation“. Die „großzügigen hellen Innenhöfe“ stünden mit ihrer Gastronomie „allen Hamburgerinnen und Hamburgern offen“.

Drittes Beispiel, dritte Darstellung. Die neue Unizeitung „Salz“, herausgegeben von Studenten des Fachbereichs Journalistik, widmet dem neuen Flügelbau in seiner Erstausgabe den Artikel „Sprache, Kultur und schöner Schein“. Im Gegensatz zu den beiden anderen Texten beleuchtet Autor Kan Nazowa die praktischen Gesichtspunkte der neuen Räume. Im Flügelbau-Ost herrsche „Platzmangel“. Beispielsweise gebe es keinen „Arbeitsraum für Studenten“ und „die Fachschaften haben sich gerade mal einen Raum für alle erstritten“.

Dass die Studierenden „von der offiziellen Schlüsselübergabe ausgeladen“ worden seien, erwähnt der Autor, kommentiert es jedoch nicht. Im Text sprechen vor allem Zitate.

Unterschiede gibt es nicht nur in der Art der Darstellung und in der Auswahl der Informationen, sondern auch in der Optik. Während das kleine, DIN A5-formatige „AStA la vista“ außer einer Skizze der Flügelbauten auf Illustration verzichtet, bestehen die zwei großformatigen Seiten von „You see“ fast ausschließlich aus Fotos; die Rubrik heißt sogar „Bilderbuch“. „Salz“ umrahmt den Artikel schlicht mit zwei gespiegelten Fotos der Treppen.

Alle drei Artikel entstanden übrigens vor der Einweihungfeier am 1. Juni im Rathaus. Diese wurde tatsächlich durch 14 Studierende gestört, die sich mit kopierten Eintrittskarten Zutritt verschafft hatten.

„AStA la vista“, alle drei Wochen, Auflage 3000; „You see – Univercity“, alle drei Monate, Auflage 15.000; „Salz“, zweimal im Semester, Auflage 12.000

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