: Attentat im Surferparadies
Bei den meisten Opfern des Anschlags auf Bali handelt es sich um australische Touristen. Augenzeugen berichteten, überall hätten Leichen gelegen
von NICOLA GLASS
Wie an jedem Samstagabend herrscht eine ausgelassene Stimmung in den Bars und Restaurants in Kuta, einer Touristenhochburg im Süden der indonesischen Insel Bali. In den Gassen des örtlichen Amüsierviertels tummeln sich vorwiegend junge Leute, um nach einem Tag am Strand in die Kneipen und Diskotheken einzukehren. Der Sari-Club ist ein besonders beliebter Treffpunkt für Surfer und Rucksackreisende. Bis zu 250 Gäste drängen sich auch an diesem Samstag unter den strohgedeckten Dachkonstruktionen, als gegen 23 Uhr Ortszeit eine gewaltige Bombenexplosion den Club völlig zerstört und mindestens 182 Menschen in den Tod reißt. Nach offiziellen Angaben wurden mehr als 132 Menschen verletzt. Andere Quellen sprechen von über 300 Verletzten. Laut Polizei handelt es sich bei den meisten Opfern um Australier. Auch Kanadier, Briten, Schweden und eine Schweizerin seien getötet worden. Unter den Verletzten sind auch mindestens sieben Deutsche. Zur selben Zeit explodierte eine weitere Bombe nahe dem US-Konsulat in der Inselhauptstadt Denpasar. Eine dritte Bombe detonierte vor dem philippinischen Konsulat in Manado in der Provinz Sulawesi. Bei diesen Anschlägen gab es keine Verletzten.
„Dies ist der schwerste Terroranschlag in Indonesiens Geschichte.“ So kommentierte Indonesiens Polizeichef Dai Bachtar die Bombenexplosion in Kuta, bevor er gestern in Jakarta ins Flugzeug nach Bali stieg. Zudem ist es das schlimmste Attentat seit dem 11. September 2001. Zu den Anschlägen bekannte sich zunächst niemand.
„Ich hatte mich gerade an einen Tisch gesetzt, hundert Meter entfernt“, so der Augenzeuge Karim Amsel, ein 27-jähriger Tourist aus Frankreich. Als eine Detonation das Viertel erschütterte, habe er sich unter den Tisch geworfen. Nach wenigen Sekunden folgte eine zweite, viel gewaltigere Explosion. „Alle schrien, überall war Staub“, so Amsel. Jemand habe ihn gefragt ob ein Flugzeug abgestürzt sei.
Es sei ein Wunder, dass er es noch auf die Straße geschafft habe, so Clubbesucher Simon Quayle, ein Footballtrainer aus dem australischen Perth. Er beschreibt die Sekunden nach der Explosion im Club als das „totale Chaos“. Sieben seiner Mannschaftskameraden würden noch vermisst. Augenzeugen berichten, die Detonation habe ein mehr als fünf Meter großes Loch in die Straße gerissen. Auch das Nachbarlokal hatte Feuer gefangen. Dutzende Autos brannten aus, überall hätten Leichen und Körperteile gelegen. Die Polizei sagte, es sei sehr schwierig, die Toten zu identifizieren. Viele von ihnen seien völlig verbrannt. „Man kann die Körper der Toten riechen“, sagte ein Fotograf vor Ort. Viele Urlauber versuchten, die Insel vorzeitig zu verlassen. Fluggesellschaften hatten angekündigt, zusätzliche Flüge bereitzustellen.
Indonesiens Präsidentin Megawati Sukarnoputri sprach von einem „schändlichen Anschlag“ und kündigte Ermittlungen an. Die US-Botschaft in Jakarta und die australische Regierung verurteilten die Bombenanschläge als „ruchlose und feige Akte des Terrorismus“. Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer zeigte sich erschüttert. In einer Erklärung seines Ministeriums hieß es, deutsche Todesopfer könnten noch nicht ausgeschlossen werden, weil die Identifizierung der Leichen andauere. Die britische Regierung forderte ihre Bürger auf, vorerst nicht nach Indonesien zu reisen. Auf mehreren Inseln Indonesiens, des größten muslimischen Landes der Welt, war es in den letzten Jahren immer wieder zu religiös motivierten Gewaltakten gekommen. Zudem hatte es in letzter Zeit wiederholt Berichte gegeben, wonach Ussama bin Ladens Terrornetzwerk al-Qaida versucht hat, in Indonesien Fuß zu fassen. Bali, das beliebteste Urlaubsziel des Landes, galt aber bislang als sicher.
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