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„Kostenlos? Ist doch gut!“

Aus der monatlichen Bremen Bülteni winkt der pädagogische Zaunpfahl: Ein gemeinsames Land braucht eine gemeinsame Sprache, schrieb der Bürgermeister der Erstausgabe ins Stammbuch

Der Redakteur: „Machen Sie das mal: Texte anpassen, ohne ein Wort zu verstehen“

Es sollte ja nie ein türkischer Weser Report werden, das gestern erstmals erschienene Bremen Bülteni. Nur das Verlagshaus KPS an der Contrescarpe und der Chefredakteur Axel Schuller sind beim türkischsprachigen Monatsblatt identisch. Die Inhalte – wie auch Konzept und Anzeigeneinnahmen – gehen auseinander. Wo im Weser Report das Anzeigenumfeld Wellness groß ausfällt, Bundestrainer Völler auf ein frühes Tor hofft und die LeserInnen erfahren, dass die Bremer Kicker Wehlage und Baumann wieder fit sind, führt bei Bülteni der Gröpelinger Verein Vatanspor das integrationspädagogische Wort, das zuvor schon Bürgermeister Henning Scherf auf Seite drei eröffnet hat. „Ein gemeinsames Land muss eine gemeinsame Sprache haben“, übersetzt die Gemüsehändlerin am Dobben die Worte des Bürgermeisters und nickt. „Da hat er Recht“ – wie die Kicker von Vatansport. Aus acht Ländern sprechen sie mit ihrem iranischstämmigen Trainer – und untereinander – nur deutsch. Dann finden die Ladenbesitzerin und ihr mazedonischer Angestellter endlich etwas zum Lachen: Den Kalauer von den bremischen Stadtteilen „Vorstadt, Neustadt und Karstadt“ – zum 100. Kaufhaus-Jubiläum.

Kurzum: Wo die Erstausgabe des Bülteni gestern nachmittag schon ausgeliefert war, kam es gut an. „Ist doch umsonst“, sind die meisten anspruchslos.

„Für meinen Vater ist das Lesen auf deutsch schwierig“, schiebt der akzentfreie Sohn dem Senior das neue Blatt hin. Vater ist begeistert. Lief doch eben erst auf Radio Bremen ein witziges Interview zum selben Thema – und jetzt sieht der Hürriyet-Leser im Bülteni das Foto von Cevahir Cansever. Sie gehört nicht nur dem achtköpfigen Beirat des Blattes an, das der Redaktion, bestehend aus Axel Schuller und Heinrich-Peter Berndt, als Ideengeber beistehen soll. Vielmehr stammt sie aus seinem Heimatort in der Türkei – und kauft ihr Brot immer bei ihm in der Gastfeldstraße.

„Führerscheinabzocke“, das stimmt, nickt später der Kurde im Ostertorsteinweg zum Aufmacher auf Seite eins. „Ich kenne einen Jungen, der hat jetzt Angst. Vier Mal durchgefallen.“ Dass es am Fahrstil des Führerscheinaspiranten läge, glaubt er nicht. Da ist sie wieder, die deutsche Sprache – diesmal als Integrationshindernis mit sogar teuren Folgen.

Sprachprobleme – das kennt aber nicht nur die Zielgruppe von Bülteni, dessen erste sechs Ausgaben aus Integrationsgeldern des Senats bezuschusst werden. Sollten sich die bislang zwölf Seiten in einer Auflage von knapp 20.000 dann nicht durch Anzeigeneinnahmen finanzieren, ist wieder Schluss. Mit Sprachproblemen hat in der vergangenen Woche vielmehr auch der deutsche Redakteur Heinrich-Peter Berndt rauhe Erfahrungen gesammelt. „Machen Sie das mal, Texte anpassen, ohne ein Wort zu verstehen“, hört man am Telefon noch förmlich seine Schweißperlen tropfen. Er und Tuncay Özdamar, Autor zahlreicher nicht namentlich gezeichneter Artikel, zugleich Redakteur der vom Dachverband der Ausländerkulturvereine herausgegebenen Stimme und Übersetzer aller auf deutsch verfassten Beiträge, saßen an der Erstausgabe von Bülteni bis zur letzten Minute. „Aber wir sind ein gutes Team“, betont Berndt. Der Rest komme mit der Erfahrung. ede

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