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Auf Augenhöhe

Für das Recht von Flüchtlingen auf Legalisierung: Mit Filmen, Diskussionen und Musik lotet Kanak Attak morgen im Metropolis Perspektiven aus

von CHRISTIANE MÜLLER-LOBECK

Vergangenen Samstag haben in Paris knapp 10.000 Menschen demonstriert. Es war bereits die vierte derartige Demonstration seit Anfang September für die Erteilung einer Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung an illegalisierte Einwanderer. Zu einer vergleichbaren Protestbewegung ist es hierzulande noch nicht gekommen, doch zahlreiche Einzelinitiativen arbeiten an der Abschaffung diskriminierender Gesetze, etwa der Residenzpflicht für Flüchtlinge, oder an einem rechlichen Schutz für Sexarbeiterinnen aus dem Ausland.

Der bundesweite Zusammenschluss Kanak Attak versucht seit längerem, diese „antirassistische Arbeitsteilung“ zu skandalisieren. Zu einer Veranstaltung im Metropolis hat die Gruppe jetzt Elisabeth Ngo Oum von der Flüchlingsinitiative Brandenburg, Rudko Kawczynski von der Sinti und Roma Union Hamburg und die einstige Sprecherin der Sans Papiers in den 90ern, Madjiguène Cissé, eingeladen. Diskutiert werden soll die Bündelung der Einzelkämpfe all derer, die sich für ein Recht auf Legalisierung einsetzen.

Gelem Gelem, eine Langzeitdokumentation über die Aktionen der Roma und Sinti, aus der an diesem Abend Ausschnitte gezeigt werden, zeugt von einem jener, in diesem Fall auf eine einzelne Gruppe beschränkten Kämpfe. Ihre Demonstrationen, beispielsweise eine kollektive „illegale“ Grenzüberschreitung im Dreiländereck, haben, so sie denn überhaupt bekannt sind, wenig Unterstützung gefunden.

Weitere Filme, die Kanak Attak morgen präsentiert, nehmen auch formal einen Perspektivwechsel vor: La vie ne vaut rien zeigt Bewohner eines Asylbewerberheims in Sachsen-Anhalt, er ist von diesen selbst gemacht, noch dazu reflektieren die MacherInnen die durch die Kamera vorgenommene Objektivierung.

Bisher kamen Flüchtlinge vornehmlich als Gegenstand eines linken Paternalismus vor die Linse – wenn nicht als Objekte staatsbürgerlicher Angstmacher von öffentlichen und privaten Fernsehsendern. Humorvolle Beiträge zu dieser und anderen Problemlagen, beispielsweise dem Gespenst „Ausländerghetto“, liefert seit einiger Zeit Kanak TV. Ausgewählte Beispiele können im Metropolis angesehen werden.

Wie explosiv eine Zusammenarbeit auf gleicher Augenhöhe zwischen Leuten mit und solchen ohne Papiere sein kann, zeigt der Film Holiday Camp des Kollektivs Drive-by Shooting über den Aufstand der im australischen Woomera internierten Flüchtlinge und den Ausbruch von über 50 Insassen vergangene Ostern. Und wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte unbedingt Hussi Kutlucans Ich Chef, du Turnschuh ansehen. Die Filmgroteske bietet zwar gelegentlich unterirdische Gags, bringt aber von der Heirat bis zur Baustellenbesetzung leichtfüßig das Repertoire zur Ansicht, das hier lebende Flüchtlinge aufbieten, wenn es ums Hierbleiben oder die Sicherung des Lebensunterhalts geht.

Dass Migration durch kein Grenzregime abzuschaffen ist, davon sind auch Globalisierungskritiker überzeugt. Im Café des Kinos wird Kanak Attak mit dem Journalisten Dario Azzelini ausloten, ob es nicht falsch ist, in den Migrationsbewegungen nur eine der vielen negativen Folgeerscheinungen der Globalisierung zu sehen, die man zudem getrost sich selbst überlassen kann. Und wem zwischendurch der Kopf zu sehr raucht, kann sich im Zelt auf dem Hof bei Lounge-Musik von DJ Chara und DJ Cecilia erholen.

morgen, 19 Uhr, Metropolis

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