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Es ist angerichtet

Zweimal angewandte Kunst im Focke-Museum. Darunter die Porzellan-Arbeiten von Preisträgerin Karin Bablok

Holzfische, eine Wespe (tot) auf einem eingezäunten Teller, allerlei „Essbares“

Der Tisch ist überdimensioniert. Meterlang reiht sich Teller an Teller. Doch keine Namensschildchen, kein Gestühl und kein Besteck. Für die diesjährige Jahresausstellung hat sich die AKB, die Angewandte Kunst Bremen (vormals Arbeitsgemeinschaft Kunsthandwerk) den Titel „angerichtet“ ausgedacht: Alle teilnehmenden KünstlerInnen sind mit je einer Arbeit auf der langen Tafel vertreten.

Holzfische finden sich da, eine echte Wespe (tot) auf einem eingezäunten Teller, sowie allerlei abstrakt „Essbares“ aus Holz, Glas, Metall, Stoff, Korb und so weiter.

Kunsthandwerk? Angewandte Kunst? Mindestens die kulinarische Zentralinszenierung rückt die Exponate in einen Kunstraum, der sich deutlich vom gewerblichen Schaufenster oder Kunsthandwerksmarkt unterscheidet. Natürlich unterliegt auch die „nicht-angewandte“ und also „freie“ Kunst Marktmechanismen. Hier aber liegen die Preisschildchen so dicht an den Exponaten, dass deren Warencharakter immer offensichtlich bleibt.

In Teil zwei der Doppelausstellung stehen kleine Tische mit dem stets gleichen Ensemble aus Tellern und Bechern. Nur die Bemalung variiert. Sie unterscheidet sich nach Intensität des Farbauftrags und danach, wie schwungvoll oder „angehalten“ die Linienführung wirkt. Sie arbeite gerne in Serien, sagt die Keramikerin Karin Bablok, Jahrgang 1964. Ihr hat die Jury zu Recht den diesjährigen Auguste-Papendieck-Preis der Sparkasse Bremen zuerkannt.

Den anderen Pol bilden freie Arbeiten, die sich zusehends gegenüber dem Gebrauchswert emanzipieren. „Porzellanunikate“ heißt Babloks kleine Werkschau programmatisch.

„Es ist ein sensibles Material. Ich arbeite sehr dünnwandig und lege Wert auf das reine Weiß“, sagt sie. Den Brennvorgang und die freie, ja fragile Formgebung auszutarieren, sich vom Gegenstand zum Objekt zu bewegen, reizt Bablok. Gestauchte Formen; Unwucht, die „Vase“ oder „Schale“ nur ahnen lässt. Die ausschließlich schwarze Bemalung pendelt zwischen abstrakt-expressionistischen und satten grafischen Mustern.

Schließlich zieht Bablok einen kopierten Bremer Stadtplan aus einer Mappe und deutet mit dem Finger auf ein Areal an der Pfalzburger Straße. „Dies“, erklärt sie, „ist das Grundmuster für die Objekte ‚Bremen I und II‘“. Großstadttopografie, sehr eigenwillig variiert.

Es gibt auch den umgekehrten Vorgang. Drei schlicht weiße Kippfiguren, Ergebnis einer Improvisation mit dem Material, hätten einen Architekten so sehr fasziniert, dass er davon ausgehend ein Haus entworfen habe, erzählt Bablok. Vielleicht anders als gedacht, aber hier, im freiesten Teil der Ausstellung, kommt die Kunst dann doch zur Anwendung.

Tim Schomacker

Die Doppelausstellung „angerichtet“ / „Porzellanunikate“ ist von Sonntag bis zum 3. November im Focke-Museum (Schwachhauser Heerstraße 240, Bremen) zu sehen.

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