berliner szenen Lyrik von Rosa

Banaler Praunheim

Im Schaufenster der Buchhandlung „Prinz Eisenherz“ sieht man nackte Männer auf Kalendern und Büchern mit Titeln wie „Helden des Feuers“, „Dreamboys“ oder „Beefcake“. 20 Minuten vor Beginn der Lesung sind fast alle der zirka 40 Sitzplätze besetzt, Rosa von Praunheim trägt schwarze Lederhose und T-Shirt, darüber ein lila Hemd und Schirmmütze. Es wird voll, mindestens 70 sind schließlich im Laden, der aus allen Nähten platzt.

Man solle Rosa noch nicht gratulieren, beginnt der Buchhändler, der Geburtstag ist erst noch. Von Praunheim klettert auf den Tisch und erinnert wie ein Barrikadenredner an die Anfänge der Schwulenbewegung '61 im Arsenal, an den Buchhändler gewandt: „Du kamst gerade aus der Provinz?“ Der bestätigt: Göttingen, da habe er einmal einen Homosexuellen auf dem Fahrrad vorbeifahren sehen. Der Tischredner widmet diesen Abend den tollen Leuten, die gehen mussten. Ob er schon reich geworden ist, fragt er den Verleger, und von Wolfgang Müller will er wissen, wie viele Bücher er dort veröffentlicht hat und: „Wie ist denn der Sex bei Isländern?“ Elfi Mikesch soll sagen, wie sie ihn nervlich durchgehalten habe: „Meine Lieblingsfarbe ist Rosa.“ Und so geht es weiter, die Lyrik ist meist heiterer Art, ohne Scheu vor Banalitäten. Dominik, die gute Freundin Dorti mit Husky auf dem T-Shirt, seine beiden bestaussehendsten und talentiertesten Studenten, sie alle rezitieren Praunheims Gedichte stehend auf dem Tisch gegenüber dem Lesben-Regal. Der Filmemacher weist auf Sende- und Kinotermine hin, er schreibe auch für Männer, in die er verliebt war, unglückliche Liebe sei ja das beste, was einem Dichter passieren könne, dann beginnt auf einem Fernseher die Weltpremiere von „Pfui Rosa!“ FALKO HENNIG