: V-Mann Toni S. sagt vor Gericht aus
Der morgige Prozess gegen den Rechtsextremen wird auch für Brandenburgs Verfassungsschutz unangenehm
BERLIN taz ■ Morgen beginnt vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen den Informanten des brandenburgischen Verfassungsschutzes Toni S.. Noch immer sorgt die Verhaftung des V-Mannes und Rechtsextremisten durch Berliner Polizeibeamte bei einem von Rechten besuchten Konzert für Verstimmungen zwischen Brandenburger und Berliner Sicherheitsbehörden.
Toni S. muss sich wegen Volksverhetzung, des Verwendens und der Verbreitung verfassungswidriger Propaganda sowie Gewaltdarstellung verantworten. Die Anklage wirft ihm vor, als „Hauptinitiator“ für den Vertrieb und die Produktion der Neonazi-CD „Noten des Hasses“ der rechtsextremen Gruppierung „White Aryan Rebels“ verantwortlich gewesen zu sein. Auf der vor zwei Jahren in einer Auflage von dreitausend Stück verbreiteten CD wird zum Mord an Juden, Ausländern und Politikern aufgerufen. Im September war der gemeinsam mit Toni S. verhaftete Berliner Neonazikader Lars Burmeister wegen Herstellung und Verbreitung der CDs zu einer Haftstrafe von 22 Monaten auf Bewährung verurteilt worden.
Toni S. hofft nun auf eine Bewährungsstrafe. Sein Verteidiger, der Cottbuser Rechtsanwalt Klaus Linten, betont, S. sei geständig. Im Verfahren müsse zudem geklärt werden, wie viel Verantwortung der Verfassungsschutz für die Aktivitäten seines Mandanten trage. Damit aber könnten morgen vor dem Berliner Landgericht eine Reihe Fragen behandelt werden, die für die brandenburgischen Sicherheitsbehörden unangenehm sind. Beispielsweise die Behauptung von Toni S., sein Vorgesetzter habe ihm im Falle einer Strafverfolgung Rückendeckung durch Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin zugesichert. Auch die Frage, ob dieser V-Mann-Führer mit dem Decknamen Dirk Bartok seinen Schützling vor einer Wohnungsdurchsuchung gewarnt hat, ist bislang ungeklärt. Gegen Bartok ermittelt derzeit die Staatsanwaltschaft Cottbus. Die Berliner Sicherheitsbehörden vermuten, dass er bestens über die strafrelevanten Aktivitäten seines Schützlings informiert war und diese gedeckt hat. Toni S. gilt über die rechte Szene Gubens hinaus seit Jahren als Lieferant indizierter Neonazimusik mit besten Verbindungen. Als langjähriger Vorsitzender der Reservistenkameradschaft der Bundeswehr in Guben und als Kontaktperson für die rechtsextreme „Wanderjugend Gibor“ sorgte Toni S. für Freizeitangebote aller Art.
Sollte Toni S. morgen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und aus der Haft entlassen werden, können sich die Berliner und Brandenburger Sicherheitsbehörden munter weiter streiten: darüber, ob Toni S. fortan in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen wird und, wenn ja, darüber, wer die Kosten dafür übernimmt. HEIKE KLEFFNER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen