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„Weltliga oder zweite Geige“

Marco Baldi, Vizepräsident von Alba Berlin, freut sich über ein großstädtisches Publikum, das mittlerweile hinter seinem Team steht. Dem will es das bestmögliche Basketballprodukt bieten. Auch ein Umzug in eine größere Arena gefährde nicht das Image

Interview HENNING HARNISCH

taz: Alba. Klingt gut.

Marco Baldi: Klingt nach Recycling (lacht). Nein, stimmt, das Wort hat etwas Melodisches und Ausgeglichenes. Aber ich weiß noch, wie wir am Anfang gerätselt haben, Mensch, werden die Leute das wohl übernehmen. Mittlerweile ist es eine eigene Marke geworden. Wenn ich im Ausland bin und sage dort „Alba Berlin“, dann spreche ich das mit einem bestimmten Wohlgefühl aus.

Alba scheint eine Phase der Konsolidierung erreicht zu haben.

Keine Frage, wir sind extrem nach vorne gestürmt, eine atemberaubende Entwicklung. Aber ein Leitgedanke dabei war immer: keine Vabanquespiele auf Kosten der Substanz. Wir wollten niemals für einen kurzfristigen sportlichen Erfolg die Existenz des Vereins riskieren. Euphorie ist wichtig, kann aber auch sehr gefährlich sein.

Für Verein und Zuschauer ist es immer einfacher, die schnellen Schritte mitzumachen. Aber irgendwann wird es schwierig, die Entwicklungen noch zu sehen.

Wenn wir uns nur aus dem Hype speisen würden, dass wir immer noch einen Schritt nach vorne machen müssen, dann würden wir ganz schnell ans Ende kommen. Man kann nur einmal zum ersten Mal deutscher Meister werden. Ich glaube, dass wir als Club so weit gefestigt sind, ein oder zwei Jahre weniger Erfolg verschmerzen zu können. Und genauso gut würden wir den Gewinn der Europaliga verkraften. Die Zuschauerzahlen sind die letzten Jahre permanent gestiegen. Und im Augenblick stellen wir fest, dass neue Spieler durchaus ein neues Interesse des Publikums mit sich bringen.

Alba Berlin hat seine Wurzeln im Westteil der Stadt, in Charlottenburg, und ist dann 1996 an den Prenzlauer Berg gezogen. Ein großer Schritt.

Jeder Sportclub braucht eine Heimat. Und die ist nicht beliebig austauschbar. Traditionen sind wichtig, in den Traditionen steckt ja ein Stück Seele eines Clubs. Aber manchmal gehört ein Umzug dazu. Es wird immer ein gewisser Teil mitgehen und ein anderer nicht, aber letztendlich ist es immer ein Stück Entwicklung.

Haben sich die Zuschauer in den Jahren verändert?

Natürlich. Angefangen haben wir mit einem akademischen Publikum, das in der Mehrzahl kam, um das Spiel zu analysieren. Das ging so weit, dass auch Aktionen des Gegners beklatscht wurden. Jetzt haben wir ein großstädtisch-kritisches Publikum, das noch zu hundert anderen Veranstaltungen gehen könnte. Aber es ist auch eine Entwicklung hin zu einem Publikum, das mehr hinter der Mannschaft steht, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in vielen Kleinstädten. Dazu will man perfekten Service: Es soll was los sein, man will sich günstig, gut und schnell verköstigen, man will günstig und schnell an den Ort kommen. Kundenverhalten eben.

Anscheinend ist das den hippen jungen Leuten, die immer an der Balustrade in der Halle standen, nicht so wichtig. Die sind nicht mehr da.

Das weiß ich nicht, aber unser Ziel kann es nicht sein, für eine hippe, eventgesteuerte, immer das Neue suchende Klientel permanent etwas Aufregendes zu bieten. Sport auf höchstem Niveau – das ist für uns nach wie vor das Entscheidende.

Vor dem Zuschauereingang parkt neuerdings ein Wagen von Radio Energy, Popp-Mich-Schilder kursieren in der Halle.

Wir waren viele Jahre mit Radio Fritz zusammen, das waren gute Jahre. Jetzt sind wir mit Radio Energy zusammen, ja.

Zieht man dadurch nicht ein anderes Publikum in die Halle?

Wir sind schon etwas mainstreamiger geworden. Aber wir spielen heute auch vor 6.000 Zuschauern und nicht mehr vor 400. Möglichst viele Leute sollen wissen, wann und wo wir stattfinden. Wir spielen Basketball nicht für uns, wir spielen für die Öffentlichkeit. Entertainment oder Sport, das ist eine Gratwanderung. Wir repräsentieren einen Sport, in dem der Vorreiter, die NBA, die Frage für sich längst beantwortet hat. Das ist pures Entertainment.

Die Anschütz-Gruppe, der zum Beispiel die Los Angeles Lakers gehören, aber auch die Berliner Eisbären, will am Ostbahnhof eine Halle bauen. Liegt dort Albas Perspektive?

Das wissen wir noch nicht.

Trotzdem eine interessante Frage, oder?

Ja.

Würde ein Umzug an den Ostbahnhof nicht eine gewaltige Veränderung bezüglich der Identität bedeuten?

Ich tue mich schwer, Konkretes zu rein spekulativen Dingen zu sagen. Nur so viel: Ich glaube, dass sich Alba Berlins Identität durch den Umzug an den Prenzlauer Berg verstärkt hat. Wir sind dadurch ein Berliner Team geworden. Ich sehe eigentlich keinen Grund, warum ein Umzug in eine größere Arena, zentral gelegen, eine Gefahr für unsere Identität sein sollte.

Wäre das eine Perspektive: Alba Berlin spielt gegen die Lakers in einer Weltliga?

Wir leben in einem Markt. Die NBA, die sich bisher abgeschottet hat, macht jetzt langsam, aber sicher auf. Die merken, dass sie mit ihrem Produkt stagnieren. Unser Ziel ist: in Berlin das bestmögliche „Basketballprodukt“ anbieten zu können. Weil das unsere Identität ist. Wie das aussehen wird, ob in einer Kombination NBA/Europaliga, das ist eine andere Frage – wir reden hier von Perspektiven für die nächsten zehn bis zwanzig Jahre. Die Tendenz sehe ich aber mehr denn je in einer Weltliga.

Ist das auch Ihre Vision?

Ich halte das auf jeden Fall für erstrebenswert. Sonst läuft man Gefahr, nur die zweite Geige zu spielen.

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