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Die verlorene Ehre der Gabriele Kanze

Die Berliner Sprachlehrerin soll als mutmaßliche ETA-Terroristin aus der Schweiz nach Spanien ausgeliefert werden

Die einen erinnert die Geschichte an Heinrich Bölls Roman „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“; darin gerät eine Frau in die Mühlen der Terroristenhatz, als sie sich unwissentlich in einen gesuchten Terroristen verliebt. Die anderen sind überzeugt, es mit einer Terroristin zu tun zu haben. Die Rede ist von der Berlinerin Gabriele Kanze, die seit fast acht Monaten als mutmaßliche Aktivistin der baskischen Untergrundorganisation ETA in der Schweiz in Auslieferungshaft sitzt.

Die 46-Jährige war Mitte März aufgrund eines internationalen Haftbefehls aus dem Jahr 1994 an der deutsch-schweizerischen Grenze festgenommen worden. Ihr wird Unterstützung des ETA-Kommandos „Barcelona“ vorgeworfen. Die spanischen Behörden hatten einen Monat nach Kanzes Festnahme ein Auslieferungsgesuch gestellt, und das schweizerische Bundesamt für Justiz hatte diesem im August stattgegeben. Die Anwälte von Kanze hatten dagegen Beschwerde eingelegt. Diese wurde jetzt vom Schweizer Bundesgericht abgelehnt. Trotzdem ruht derzeit die Auslieferung. Denn das UNO-Komitee gegen Folter hat auf ein Rechtsmittel des Schweizer Anwalts von Kanze hin die Schweiz um vorläufige Aussetzung der Auslieferung ersucht. Das Komitee prüft, ob die Aussagen, die Kanze belasten, unter Folter zustande gekommen sind.

Gabriele Kanze ist Sprachlehrerin für Spanisch und arbeitete Anfang der Neunzigerjahre als Deutschlehrerin an einer Sprachschule in Barcelona. In Barcelona lernte sie ihren späteren Ehemann, Benjamin Ramos Vega, kennen. 1993 kehrte sie nach Berlin zurück. Ein Dreivierteljahr später wurde nach ihr und ihrem Mann gefahndet. Zusammen mit Ramos Vega, so heißt es in dem spanischen Auslieferungsgesuch, soll Kanze in den Neunzigerjahren mit dem ETA-Kommando „Barcelona“ zusammengearbeitet haben. Sie soll zwei Wohnungen angemietet haben, die als Versteck für ETA-Mitglieder sowie als Lager für Waffen dienten, die bei mehreren Anschlägen der Untergrundorganisation zum Einsatz kamen.

Gabriele Kanze fühlt sich angesichts der Vorwürfe gegen sie an Bölls Roman erinnert. „Die Ähnlichkeit zu meinem Fall“, so schreibt sie an ihren Schweizer Anwalt, „liegt in der ‚falschen Liebe‘, die mich notwendigerweise in meine jetzigen Schwierigkeiten bringen musste.“

Kanzes Berliner Anwältin Petra Schlagenhauf übt mehrfache Kritik an der Auslieferung nach Spanien. Zwar wurde Kanzes Ehemann 1995 in Berlin festgenommen und in Spanien wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu elf Jahren Haft verurteilt. Doch vom Vorwurf der Anmietung einer Wohnung war er freigesprochen worden, betont sie. Und: Das 1994 von Spanien an die deutschen Behörden gestellte Ersuchen um Übernahme des Strafverfahrens gegen Kanze endete vier Jahre später mit einer Einstellung des Verfahrens wegen mangelnden Tatverdachts.

„Die spanischen Behörden sind damit nicht mehr befugt, gegen Kanze vorzugehen“, so die Anwältin. Und: „Das Auslieferungsersuchen muss auf einem nachvollziehbaren Sachverhalt beruhen.“ In der Ablehnung der Beschwerde gegen die Auslieferung heißt es jedoch, der Sachverhalt gegen Kanze müsse nicht widerspruchsfrei vorgetragen werden. BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

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