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Verwirrung im Lummerland

Die neuen Preise der Bahn ab dem 15. Dezember verursachen Chaos und widersinnige Preise, so der Vorwurf

BERLIN taz ■ Das neue Tarifsystem richtet bei den Grundpreisen einen größeren Tarifdschungel an als das alte. Das sagte Karl-Peter Naumann, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn, dem ARD-Magazin „Report Mainz“. „Auf einer Strecke zwischen zwei Großstädten wie Hamburg–Chemnitz finden Sie sofort acht, neun Grundpreise, die sich zum Teil nur um wenige Cent unterscheiden. Da stimmt die Devise der Deutschen Bahn nicht mehr: Fahrkarte zum Grundpreis kaufen, einsteigen und losfahren.“ Im Beispiel Hamburg–Chemnitz muss der Kunde allein beim ICE zwischen fünf Preisen zwischen 63,80 Euro und 76,80 Euro entscheiden – je nach Kombination von ICE, Regionalexpress und Intercity. „Report“-Redakteur Thomas Reutter machte den Selbsttest: Am Schalter wurden ihm allerdings nur zwei mögliche Verbindungen genannt, die beiden billigsten waren nicht dabei.

Die neuen Preise seien so einfach wie auf der Puppenkisten-Insel Lummerland, verspricht ein Bahn-Werbeslogan. Eher das Gegenteil ist der Fall: Auf einer einzigen Strecke gelten bis zu 144 verschiedene Preise. Und auch für das Bahnpersonal scheint das Preissystem schwer zu durchschauen: Reutter sah sich einer hilflosen Angestellten gegenüber, die sich einen unerhört hohen Preis nicht erklären konnte. Bis sie durch Nachfragen herausfand, dass es im Preissystem einen Mindestpreis von 30 Euro gibt: Bei billigeren Tickets gelten die Rabatte nicht.

Das Plan & Spar-Programm kehre außerdem die bisherige Preislogik der Deutschen Bahn teilweise um, so Pro Bahn: Langsame Züge können in Zukunft mehr kosten als schnelle, denn in Regionalbahn und Regionalexpress gelten die Frühbucherrabatte nicht. Aufgrund dieser Einschränkung kostet beispielsweise eine sieben Tage im Voraus gebuchte Reise von Frankfurt am Main nach Regensburg mit der Regionalbahn 23,60 Euro mehr als mit Intercity und ICE. Dabei dauert die Fahrt mit der Regionalbahn fast zwei Stunden länger. Die Reise von Mannheim nach Nürnberg ist mit der Regionalbahn sogar um 26,80 Euro teurer im Vergleich zur gleichen Fahrt, wenn eine Teilstrecke im ICE gefahren wird.

So verursacht die Bahn das Gegenteil dessen, was sie mit den neuen Preisen erreichen wollte: dass die Menschen vom ICE auf die Regionalbahn umsteigen, wo gleiche Strecken bedient werden. SUK

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