: „Den Korpsgeist erhalten“
Prioritäten bei „Innerer Sicherheit, Bildung und Verkehr“ führen zwangsläufig zu Einsparungen in anderen Ressorts, und soziale Kälte ist „nur ein Kampfbegriff“: Hamburgs Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) im taz-Interview zur Senatspolitik
Interview: PETER AHRENS
taz hamburg: Sie gelten als der starke Mann im Senat. Bestimmt in Wirklichkeit Wolfgang Peiner die Richtlinien der Hamburger Politik?
Wolfgang Peiner: Wir sind alle stark im Senat. Aber jeder Finanzminister einer Regierung lebt davon, dass er eine besondere Achse bildet mit dem jeweiligen Regierungschef. Er ist ja der einzige neben dem Bürgermeister, der den Gesamthaushalt und die Gesamtkosten der Stadt im Auge haben muss. Die Kollegen sind vorwiegend von Ressortdenken geprägt.
Zuletzt hatte man den Eindruck, dass die Gesamtverantwortung im Senat nicht mehr besonders ausgeprägt ist.
Wenn die Mittel knapper werden, wird das Interesse, nur die Perspektive seines Ressorts einzunehmen, naturgemäß größer. Aber wir sind alle entschlossen, den gemeinsamen Korpsgeist zu erhalten.
Sie kommen aus der Wirtschaft und sind in die Politik zurückgekehrt. War das ein Kulturschock?
Der Politik fehlt eine Gewinn- und Verlustrechnung, ein finanzieller Leistungsnachweis am Jahresende, dass man erfolgreich gearbeitet hat. Der größte Unterschied zur Wirtschaft aber ist das Maß der Eigenständigkeit: Jeder Politiker ist durch Termine und Themen fremdbestimmt. In der Politik muss man Rücksicht nehmen auf die Kollegen, auf die Fraktionen, auf die Parteien, auf die Öffentlichkeit. Man steht auch in einem ganz anderen Scheinwerferlicht, es bleibt nichts geheim, man kann nicht immer so entscheiden, wie man möchte. Daher würde ich den meisten aus der Wirtschaft gar nicht empfehlen, in die Politik zu gehen.
Fremdbestimmt sind Sie auch durch die miserable Haushaltslage. Dem rot-grünen Vorgängersenat werfen Sie vor, diese verschleiert zu haben. Haben Sie wirklich nicht gewusst, wie ernst die Lage sein würde?
Vor der Amtsübergabe war es tatsächlich nicht erkennbar, dass es so schwierig werden würde. Rot-Grün hatte zuvor das Ende der Konsolidierung verkündet – entweder wider besseres Wissen oder aus Ahnungslosigkeit. Und viele in den Behörden haben das natürlich gerne geglaubt. Umso schwieriger war der Prozess, den Leuten wieder klar zu machen, dass noch lange nicht Schluss ist. Viele hatten doch schon wieder ihre Sonntagsanzüge an, und dann kommt der neue Finanzsenator und muss sagen: Jetzt holt mal wieder eure Arbeitsanzüge raus und geht wieder an die Arbeit.
Und weil Sie so sparen müssen, haben Sie im Jahr 2002 erst mal sogar noch mehr Geld ausgegeben als von Rot-Grün vorgesehen? Klingt nur begrenzt logisch.
Im Betriebshaushalt haben wir nur umgeschichtet, nur die Investitionen haben wir erhöht. Das habe ich für richtig gehalten. Wir mussten in den Bereichen Innere Sicherheit, Verkehr und Bildung deutliche Akzente setzen. Sonst weiß der Wähler wirklich nicht, warum er uns gewählt hat. Aber ich habe auch immer gesagt: Prioritäten setzen heißt auch Posterioritäten setzen. Wer Schwerpunkte setzt, muss auch in der Lage sein zu sagen: Dann geben wir woanders weniger aus.
Weniger ausgeben heißt für diesen Senat, beim Sozialen massiv zu sparen. Und das führt zu einer Politik der sozialen Kälte.
Soziale Kälte ist ein Kampfbegriff, der in dieser Situation gar nicht zutrifft. Dass wir als Union sagen, wir setzen stärker auf Eigenverantwortung und Missbrauchskontrollen, ist nichts Schlimmes. Wer auf die Hilfe des Staates angewiesen ist, wird auch weiter Hilfe erhalten.
Sie kürzen nicht nur bei den sozial Schwachen, Sie haben sich mit den Jesteburger Beschlüssen auch mit den Mitarbeitern in den Behörden angelegt, die bereits seit Jahren konsolidieren, also sparen müssen. War Jesteburg wirklich nötig?
Wir haben uns hingesetzt und nachgedacht, wo man gezielt sparen kann. Und das Ergebnis waren die Jesteburger Beschlüsse, aufgabenkritische Maßnahmen mit Augenmaß. Wichtig ist allerdings, dass wir diese Maßnahmen jetzt auch konsequent umsetzen.
Aber damit hapert es.
Die Umsetzung läuft im Großen und Ganzen nach Plan. Dass es Widerstände gibt, wenn man Hierarchien auflöst und Ämter zusammenlegt, ist verständlich.
Die Gewerkschaft ver.di nennt das anders. Sie wirft Ihnen vor, die Bezirke zu zerschlagen.
Die Vorwürfe von ver.di sind sehr ritualisch und geprägt von bewusster Verunsicherung der Mitarbeiter. Ich sehe das als Beitrag der Mitgliederwerbung von ver.di, aber nicht als Beitrag zur konstruktiven Begleitung dieses Prozesses. Von ver.di kommt nur pauschale Kritik, mit der man mit Verlaub wenig anfangen kann. Die Personalräte in den Behörden sind da wesentlich konstruktiver und denken verantwortlich. Wenn wir die Behörden nicht verschlanken, müssten die Bürger mehr Steuern zahlen. Und die Bereitschaft dazu scheint mir momentan nicht sehr ausgeprägt zu sein.
Morgen geben Sie die Ergebnisse der November-Steuerschätzung bekannt. Und wieder wird von dramatischen Steuerausfällen die Rede sein. Schließen Sie angesichts dessen eine Erhöhung der Neuverschuldung bis zum Ende der Legislaturperiode trotzdem aus?
Unser Ziel bleibt es, die Neuverschuldung deutlich zu reduzieren. Und normalerweise wäre das auch überhaupt kein Problem gewesen. Unter den jetzigen Vorzeichen – ich erwarte Steuerausfälle pro Jahr zwischen 200 und 300 Millionen Euro – ist es natürlich schwieriger geworden. An dem Ziel werden wir trotzdem festhalten. Das kann natürlich bedeuten, dass wir stärker Vermögen mobilisieren müssen, als wir es sonst getan hätten.
Von daher könnten Sie ja dankbar sein, dass der Bund und die SPD-Länder jetzt neue Steuerquellen aufzutun trachten. Warum sperren Sie sich eigentlich so dagegen?
Es ist nicht der Moment, Steuern zu erhöhen. Ich halte das für den komplett falschen Ansatz. Neue Steuern sind Gift in der heutigen Situation. Wenn man sich angesichts der Konjunktur und der Ankündigungen der Bundesregierung in Unternehmen umhört, dann spürt man, dass die Entscheider verunsichert sind. Beispiel Hafencity: Da gibt es einige Investoren, die sagen: „Im Moment unterschreiben wir keine Verträge, weil wir gar nicht wissen, was auf uns zukommt.“ SPD und Grüne wissen zurzeit nicht, wie es in den Betrieben aussieht. Man muss mal damit aufhören, sich nur mit Gewerkschaftsfunktionären darüber zu unterhalten, wie die Lage in den Unternehmen ist.
Glauben Sie, dass die Bundesregierung noch einknickt?
Ich setze auf die finanzpolitische Kompetenz der Grünen. Ich habe immer festgestellt, dass die Grünen, was Finanzpolitik betrifft, grundsatzfester sind als die SPD. Frau Hajduk von der GAL war in Hamburg die Gewähr dafür, und sie ist jetzt ja auch im Bund. Und der Bundesrat wird natürlich auch mitreden.
Noch einmal zurück nach Hamburg: Wie zufrieden sind Sie mit Ihren Koalitionspartnern?
Die sachliche Arbeit im Senat ist kollegial. Das Klima ist gut, und die Bereitschaft, sich zu einigen, ist immer da.
Die Eskapaden und Schlagzeilen von Herrn Schill stören Sie nicht?
Der Kollege Schill ist ja gewählt worden mit einem populistischen Anspruch. Aber es darf sich keiner, das gilt für alle, zu Lasten anderer profilieren. Die konkrete sachliche Zusammenarbeit mit Schill ist problemlos.
Und in drei Jahren treten Sie gemeinsam mit Bürgermeister Ole von Beust gegen einen SPD-Kandidaten Olaf Scholz an?
Von Olaf Scholz erlebe ich zurzeit noch zu wenig fundierte Sachpolitik, um mir ein Urteil über ihn bilden zu können. Als Generalsekretär seiner Partei muss er auch immer Terrier und Wadenbeißer sein. Diese Rolle spielt er allerdings konsequent.
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