: Bremen war nicht schuld
Lange Gesichter, aber keine Tränen in Kourou: Die Ariane V blieb auf der Erde. Drei Sekunden vor dem Start sagte der Computer „non“. Ein Software-Fehler im Rechenzentrum, sagt der Chef
Lange Gesicher, aber keine Tränen wie vor Jahren gab es gestern Nacht im Weltraumzentrum Kourou in Französisch-Guyana: Drei Sekunden vor dem Ende des Countdowns brach der Computer den Start der ersten Ariane V-Rakete mit dem stärkeren ESCA-Triebwerk ab. Während die „alte“ Ariane V bis zu sechs Tonnen Nutzlast in den Weltraum transportieren kann, soll die neue Oberstufe bis 10 Tonnen hochschießen.
Auf ihrem mit Spannung erwarteten ersten Flug soll die verstärkte Ariane 5 den Fernseh- und Multimedia-Satelliten Hot Bird tm7 sowie den Forschungssatelliten Stentor rund 36.000 Kilometer hoch über die Erde bringen. Der Chef der Betreiberfirma Arianespace, Jean-Yves Le Gall, sprach von einer „Software-Panne“ im Startcomputer des Rechenzentrums. Der Bordcomputer hätte nicht rechtzeitig das Signal zum Start des Raketenmotors, der Kühlsysteme und der Versorgungsarme bekommen.
Die wirtschaftlich unter Druck stehende Firma Aerospace hatte damit Glück im Unglück: Der Schaden liegt „nur“ beim Image. Wäre die Rakete gestartet und dann abgestürzt wie beim ersten Startversuch im Juni 1996, dann wären Hunderte Millionen Euro verloren gewesen. So kann der Start eventuell noch vor Weihnachten wiederholt werden, wenn sich die Version von der Software-Panne bestätigt. Große Erleichterung herrscht in Bremen auch angesichts des Eindrucks, dass der Fehler nicht in den in Bremen gebauten Elementen des Gemeinschaftsprojektes aufgetreten ist. Die Ingenieure haben nur bis zum 12. Dezember Zeit. Dann nämlich wird die Rampe für einen Start der Ariane V klassischen Typs gebraucht: „Rosetta“ heißt die Mission, mit der die ESA einen Satelliten in die Umlaufbahn bringen will, der im Jahre 2012 den Kometen „Wirtanen“ treffen soll.
Während Arianebauer Astrium die Panne erklären musste, meldete die mittelständische Bremer Raumfahrtfirma OHB gestern großen Erfolg: Mit einer russischen Cosmos-Trägerrakete ist der OHB- Mikrosatellit Rubin 3 erfolgreich vom Weltraumbahnhof Plesetsk gestartet. Rubin 3 dient der Kommunikation mit Satelliten im erdnahen Orbit und – das ist das neue –sendet seine Daten per E-Mail.
Nicht nur russischen Trägerraketen bilden die Konkurrenz zur Ariane, sondern auch eine neue US-amerikanische Entwicklung. Im Januar 2003 soll die letzte Ariane IV in Kourou starten. Dieser Vorgänger der Ariane V erforderte sehr viel mehr Arbeitskräfte. Arianespace hat daher Entlassungen angekündigt, in Bremen soll es 200 der insgesamt 1.200 Stellen treffen.
Nachdem gestern die dritte Panne das Image der Ariane V beeinträchtigte, bereuen die Astrium-Manager vielleicht, dass sie sehr schnell das Ende des erfolgreichen kleineren und flexibleren Vorgänger-Modells IV beschlossen haben. Offen ist nämlich für das Unternehmen auch, wie sich die Verhandlungen über die Weiterfinanzierung der Raumstation ISS auf die Auslastung des Bremer Betriebes auswirken wird. In der Belegschaft herrscht jedenfalls für die Zukunft große Verunsicherung.
Klaus Wolschner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen