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Bekannt wie Dr. Brinkmann

Politiker und Arzt: Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Hamburger Ärztekammer, redet gern, viel und druckreif und liebt seinen Zwölf-Stunden-Tag. Aber seine Wiederwahl am Montag ist fraglich

Das SPD-Mitglied Montgomery sieht sich als Vertreter der Ärzte in der Partei – nicht umgekehrt

von SANDRA WILSDORF

Er neben Bundeskanzler Gerhard Schröder, er neben CDU-Fraktionsvize Friedrich Merz, er neben Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt: Auf seiner Homepage zeigt Frank Ulrich Montgomery sich als einer, dem die Mächtigen zuhören. Sie tun es vermutlich auch noch, wenn die Kamera wegsieht. Denn Montgomery, den Weggefährten „Monti“ nennen, wogegen er scheinbar nichts hat, weil er sich wohl sonst kaum die E-Mail-Adresse „monti@montgomery.de“ gewählt hätte, ist wohl Deutschlands bekanntester Weißkittel – neben Dr. Brinkmann.

In Talkshows streitet der 50-Jährige für die Ärzte, er redet gern, viel und druckreif. Er ist eigentlich ein Verbandsfunktionär, wie ihn sich ein Verband nur wünschen kann. Und doch: Dass er am kommenden Montag für weitere vier Jahre zum Präsidenten der Hamburger Ärztekammer gewählt wird, ist unwahrscheinlich.

Seit acht Jahren ist Montgomery Hamburgs Oberarzt und findet: „Wir haben gute Politik gemacht, die Kammer steht gut da, wir haben guten Umgang mit der Politik, den Medien und den Mitgliedern.“ Und so hat es ihn „völlig kalt erwischt“, als bei der Kammerversammlung vor knapp zwei Monaten die Mehrheit der Ärzte nicht für seine Liste, den Marburger Bund, sondern für die „Hamburger Allianz für Klinik und Praxis“ gestimmt hat. Diese errang auf Anhieb 29 von 55 Mandaten.

Am Montag nun wählt die Kammer einen Präsidenten. Und geht es nach den Mehrheitsverhältnissen, dann heißt der Neue Michael Reusch. Der ist niedergelassener Hautarzt und im Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung. „Wir haben einfach nicht geglaubt, dass man mit der platten Losung, da müsse ein Niedergelassener an die Spitze, gewinnen kann“, sagt Montgomery, der als Oberarzt in der Radiologie des Universitätskrankenhauses Eppendorf (UKE) arbeitet.

Abgewählt zu werden, ist der Multi-Funktionär, für den „Funktionär von funktionieren kommt“ nicht gewöhnt: Seit 13 Jahren ist er Präsident des Marburger Bundes, dem Zusammenschluss von Krankenhausärzten, er ist im Vorstand der Bundesärztekammer, im Europaauschuss der Ärzte und im Weltärztebund, der einst die Erklärung von Helsinki verabschiedet hat, in der Ärzte ihre Forschung an ethische Grundsätze binden.

Montgomery ist seit 1972 Mitglied der SPD, „eingetreten bin ich wegen Helmut Schmidt“. Er ist Politiker, der wegen der vielen Verbandsarbeit häufiger Schlips und Anzug als Kittel trägt, und er ist Arzt, der sich vor vielen Jahren entschieden hat, politischen Einfluss zu nehmen. Er sei „nicht U-Boot der Partei in der Ärzteschaft, sondern Vertreter der Ärzte in der Partei“. Und deshalb mobilisiert Montgomery zurzeit auch kräftig gegen die Gesundheitspolitik seiner Genossen.

Er wünscht sich endlich mal einen Vertreter der Gesundheitsberufe ins Gesundheitsministerium – wo Verwaltungsangestellte wie Horst Seehofer oder Sonderschullehrerinnen wie Ulla Schmidt das Sagen haben. Wäre Montgomery Gesundheitsminister, hätte er eine Vision: Die Krankenversicherung würde nicht mehr Prozente vom Gehalt, sondern eine Kopfprämie bekommen.

Der Arbeitgeber würde seinen Anteil dem Arbeitnehmer überweisen, und der könnte sich eine Kasse nach seinen Bedürfnissen aussuchen: Eine, die Homöopathie oder Bäder bezahlt, je nach Geschmack. Solch eine Prämie läge dann bei 150 bis 200 Euro. Voraussetzung: eine Versicherungspflicht für alle. „Beamte, Selbständige und auch der Bundeskanzler müssten einzahlen“, fordert Montgomery. Jede Kasse muss jeden Patienten akzeptieren, und die Kosten für die Krankenversicherung dürfte einen bestimmten Prozentsatz des Haushaltseinkommens nicht übersteigen. Tut er das, legt der Staat dazu.

So leicht und leidenschaftlich der Radiologe gesundheitspolitische Planspiele entwirft, es gibt auch noch einen privaten Montgomery. Der ist Mann einer Ärztin, „fanatischer Vater“ eines 14-jährigen Sohnes und einer 9-jährigen Tochter und hat „typische Männerhobbies: Skifahren, Tennis und Fliegen“. Manchmal leiht er sich eine kleine Cessna, um damit zu Sitzungen des Marburger Bundes nach Köln zu fliegen. Und jeden Morgen läuft er sieben Kilometer an der Elbe entlang: „Man kommt ja nur mit einem Körper auf die Welt, und ich sehe hier viele, die mit ihrem nicht sehr sorgsam umgegangen sind.“

Wenn Frank Ulrich Montgomery am Montag abgewählt werden sollte, „dann arbeite ich eben wieder mehr im UKE“. Aber gerecht fände er das nicht. Er liebt seine mindestens Zwölf-Stunden-Tage im Dienste der Ärzte. Er will weiter streiten und gestalten. Deshalb hat er die vergangenen zwei Monate für Politik in eigener Sache genutzt. Und ist sicher, „dass ich die Wahl gewinnen werde“.

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