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Weniger Kampf der Generationen

Mehr Oral History: Heute wird ein Buch über Positionen heutiger junger Deutscher zum Holocaust präsentiert

Die um 1970 Geborenen kennen diese Situation. Während sich zwischen den Eltern und Großeltern bei diversen Familientreffen die Fronten sofort verhärteten, wenn die Sprache auf den Holocaust kam, so konnten sie, die dritte Generation, in der Regel ganz entspannt mit den Großeltern reden, kaum dass die Eltern aus dem Raum waren.

Ganz egal, ob man in der Schule Erinnerungskultur aufgedrückt bekam oder – wie häufig in ländlicheren Schulen oder bei älteren Lehrern – das Dritte Reich gar nicht im Unterricht vorkam: Das distanzierte Verhältnis der letzten Generation zum Holocaust, die mit Zeitzeugen sprechen kann, bringt oft mehr Geschichten zutage als der verbitterte Krieg der 68er gegen ihre aus ihrer Sicht durch die Bank schuldig gewordenen Eltern – so verdient sie sich mit ihrer Wut auch gemacht haben.

Um das Verhältnis der dritten Generation zum Holocaust geht es auch in einem durch studentische Initative in Berlin entstandenen Sammelband, der Aufsätze zum Thema von um 1970 geborenen Autoren vereint und jetzt erschienen ist. Neben dem immer wieder scharf erhobenen Vorwurf an die 68er, sie habe ihren Kindern den Umgang mit dem Holocaust vorgeschrieben und das Gedenken institutionalisiert, handeln fast alle Beiträgen von den Schwierigkeiten mit der Idee nationaler Identität und Schuld – vor allem aber davon, dass es nun, mit dem Vorsprung der biografischen Unberührtheit, dringend darum gehen muss, den Holocaust nicht mehr als Maßstab für alles Leid der Welt zu instrumentalisieren, ihn aber gleichzeitig auch nicht mehr als singulär darzustellen. Und das bei allem Wissen um die Gefahr, von den Verharmlosern vereinnahmt zu werden. Dennoch merkt man vielen der Beiträge für dieses Buch an, wie schwer es dieser dritten Generation fällt, sich von ihren Eltern abzugrenzen und neue Positionen zu entwickeln – wie unnötig dies auch oft ist, bedenkt man einmal das Ringen der 68er um das „richtige“ Verhältnis zu Israel oder um die „richtigen“ Lehren aus der Vergangenheit, dem wenig hinzuzufügen ist.

Daher sind die interessantesten Beiträge in diesem Sammelband die, in denen die Atoren sich direkt mit Zeitzeugen zusammensetzen. Zum Beispiel Charlotte Misselwitz, die eine Tochter, Mutter und Großmutter einer der wenigen jüdischen Familien in der DDR interviewt hat. Als überzeugte Kommunistin nach 1945 von Amerika in die DDR zurückgekehrt, empfand sich die Großmutter als DDR-Bürgerin der Aufbaugeneration vollständig integriert. Ganz anders als sich Enkel von, sagen wir, ehemaligen Wehrmachtssoldaten abgrenzen müssen, grenzt sich die interviewte jüdische Enkelin gegen den von ihrer Großmutter angenommenen Gründungsmythos der DDR ab. Nicht nur der verordnete Antifaschismus, sondern auch, dass die Opfer des Faschismus vor allem Widerstandskämpfer zu sein hatten und erst danach Juden, erscheint ihr problematisch. Anders als ihre Großmutter betrachtet sie die Assimilation der Juden in der DDR eher als problematisch – besonders in Hinblick auf den Rechtsradikalismus im Osten des Landes. SUSANNE MESSMER

„Uns hat keiner gefragt. Positionen der dritten Generation zur Bedeutung des Holocaust.“ Hg. v. Jens Fabian Pyper. Philo Verlag, Berlin 2002, 291 Seiten, 19,90 €. Heute Abend Buchpräsentation und anschließende Diskussion mit den Autoren, 19.30 Uhr, Centrum Judaicum, Oranienburger Str. 28–30, Mitte

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