Scud-Raketen als Exportschlager

Nordkorea bastelt nicht nur an nuklearen Sprengköpfen, sondern verfolgt auch seit Jahren ein ehrgeiziges Raketenprogramm. Damit werden die asiatischen Nachbarn eingeschüchtert und die so dringend benötigten harten Devisen verdient

von ANDRÉ KUNZ
und JUTTA LIETSCH

Der Fund von 15 Scud-Raketen auf einem nordkoreanischen Schiff im Arabischen Meer hat auch in Ostasien Besorgnis ausgelöst. Nachdem Pjöngjang erst vor zwei Monaten gegenüber US-Vertretern ein geheimes Programm zur Entwicklung von waffenfähigem Uran zugegeben haben soll, ist das stalinistisch geführte Land nun erneut als aktiver Exporteur von Raketentechnologie in den Nahen Osten entlarvt worden.

Über Raketenexporte nach Syrien, Libyen, Iran und Pakistan wussten die Geheimdienste der USA und Israels schon lange. In einem Bericht des kalifornischen Monterey-Instituts für Internationale Studien schrieb Timothy McCarthy schon 1999, dass Nordkorea eines der erfolgreichsten Raketenprogramme neben den USA, Russland und China betreibe. Offenbar kaufte Pjöngjang Mitte der 70er-Jahre vier oder fünf sowjetische Scud-B-Raketen von Ägypten. McCarthy ist überzeugt, dass Nordkorea damals noch Hilfe von der Sowjetunion genoss, um in kurzer Zeit zuverlässige Kurzstreckenraketen nachbauen zu können. Schon 1986 exportierte Nordkorea Scud-B-Raketen in den Iran, die 1988 eingesetzt wurden.

Nordkoreas Scuds fanden im Nahen Osten schnell Abnehmer. Mehrere Länder haben Scuds im Arsenal, sei es das sowjetische/russische Original oder nordkoreanische Nachbauten. Bekannt wurden die Raketen im letzten Golfkrieg, als der Irak Scud B auf Israel und Saudi-Arabien feuerte.

In Pjöngjang wurde der unerwartete Exporterfolg als Sieg an der High-Tech-Front gefeiert. Schon bald bauten Nordkoreas Waffenschmieden auch die Scud-C-Kurzstreckenrakete mit 600 Kilometer Reichweite. 1993 stellte Nordkorea seine erste Eigenentwicklung vor. Die Rodong 1 mit 1.300 Kilometer Reichweite wurde als Trägerrakete für biologische, chemische und nukleare Sprengköpfe angepriesen. Israels Geheimdienst weiß, dass mindestens 40 dieser Mittelstreckenraketen nach Libyen exportiert wurden. Die Raketenbauer in Pjöngjang entwickelten darauf zwei Langstreckenraketen, die Taepodong 1 und 2 mit Reichweiten von 1.500 bis 3.500 Kilometern. Im ersten Test im August 1998 feuerte Nordkorea das Geschoss über Japans Hauptinsel. Damit bewies Machthaber Kim Jong Il den USA, dass seine Rakete auch Alaska erreichen kann. Satoshi Morimoto, Sicherheitsexperte im Nomura Research Institute von Tokio, geht davon aus, dass Nordkoreas Militärs derzeit rund 300 Scud-B- und Scud-C-Raketen gegen Ziele in Südkorea und Japan gerichtet haben. 100 Rodong-1-Mittelstreckenraketen dürften auf japanische Städte und Militäranlagen zielen.

Die Langstreckenraketen werden nicht nur zur Abschreckung und Einschüchterung der Nachbarn eingesetzt, sondern auch als Werbeplattform für mehr Exporte der inzwischen serienmäßig gefertigten Scud-Raketen. Laut südkoreanischen Experten verkauft Pjöngjang das Stück für 4 Millionen Dollar und verdient damit 100 Millionen Dollar pro Jahr. Der US-Waffenhandelsexperte Joe Cirincione von der Stiftung für internationalen Frieden erklärte gegenüber CNN, es sei nicht klar, ob Nordkoreas Raketenhandel überhaupt illegal sei. Denn es gebe keine Restriktionen, die das Land vom Verkauf und andere Länder vom Kauf seiner Raketen abhielten. Washington rechtfertigt den Stopp des Raketenschiffes damit, dass es illegal ohne Flagge und mit falschen Frachtpapieren unterwegs gewesen sei.

Auch Russland und China betrachten die Entwicklung derzeit mit „sehr großer Sorge“, betonte gestern in Peking der russische Botschafter Igor Rogatschow. Beim jüngsten Pekingbesuch des russischen Präsidenten Putin hatten beide Regierungen eine „atomwaffenfreie koreanische Halbinsel“ gefordert und Pjöngjang aufgefordert, sein Kernwaffenprogramm einzustellen. „Wir führen gleichzeitig Gespräche mit Pjöngjang und Washington.“ Es sei überaus wichtig, dass die USA „die Gespräche mit Nordkorea nicht abreißen lassen“, erklärte der Diplomat. Es sei Chinesen und Russen inzwischen „gelungen, intensive Beziehungen zu Kim Jong Il aufzubauen“, sagte er auf die Frage, welchen Einfluss die Nachbarn auf Pjöngjang haben. „Lassen Sie uns hoffen und beten, dass alles gut geht.“