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Warten auf die große Sause

Kleinbürgerliche hessische Einfamilienhäuser-Fassaden und Heuhaufen, die an Monet erinnern: Aktuelle Arbeiten des Berliner Künstlers Joachim Reck in der Galerie Zwinger

Mit der DDR sind sie hierzulande fast gänzlich verschwunden, die riesigen Gebilde aus Hunderten von aufgeschichteten Strohballen, die im Winter als Viehfutter dienten. Östlich der Oder, in Polen, lassen sich diese an Tempelanlagen erinnernden Haufen aus Stroh noch immer finden. Mal wirken die runden aufgestapelten Strohrollen wie Wellen. Mal haben die Bauern viereckige Strohballen zu Pyramiden mit und ohne Treppeneffekt, zu Trapezen oder simplen Quadraten aufgeschichtet.

Joachim Reck fotografierte viele dieser landschaftsarchitektonischen Haufen in seiner alten Heimat. 1963 in Schlesien geboren, siedelte Reck im Alter von dreizehn Jahren nach Stuttgart über. Heute lebt er in Berlin, hier studierte er Architektur und danach Malerei. Beide Studiengänge schlagen sich in der Serie der Strohhaufen nieder, wie jetzt in der Galerie Zwinger zu sehen ist. Zunächst fotografiert, landen die Bilder im Scanner und später als Siebdruck auf Papier. Auch wenn sie schwach und wie hingehaucht erscheint, ist die Rasterung dennoch deutlich erkennbar. Reck zitiert sich selbst: In Siebdrucken, die einige Jahre zurückliegen, ist die Rasterung noch wesentlich stärker ausgeprägt.

So gesehen ist Joachim Reck in seinen aktuellen Arbeiten, die an die Heuhaufen-Bilder von Claude Monet erinnern, subtiler geworden. Was auch für eine zweite Serie gilt. Auch hier ist für den 39-Jährigen die vorgefundene Architektur Anlass für seine monumentalen Bilder von kleinbürgerlichen Einfamilienhäuser-Fassaden aus Hessen. Wie immer sind überhaupt keine Menschen zu sehen. Wer möchte hier auch wohnen? Biedere, einfallslose Formen und geschmacklose Farben, und damit der Nachbar ja nichts mitbekommt und üble Nachreden hält, hängen überall dicke Gardinen und undurchdringliche Jalousien. Eine Häuserfront in blassroter Farbe wirkt dann auch mit seinem Spitzdach und den heruntergelassenen Rolläden wie ein trauriges Gesicht.

Immer wieder beschäftigt sich der Maler-Architekt mit Fenstern. Die gelten gemeinhin als Schaufenster in die Welt, doch in seinen Arbeiten – die allesamt ohne Titel sind – dienen sie der Abschottung. Alle Luken sind dicht. Lamellen verhindern freie Sicht. Dichte Gardinen schützen vor Blicken. Die Jalousien lassen nichts raus – und rein. Reck malt Allegorien der Sichtbehinderung, der Undurchdringlichkeit, der privaten Zugezogenheit. Und der Bedrohung. Was geht in den Häusern, die Joachim Reck aufs Wesentliche reduziert, wirklich vor? Man möchte es gar nicht wissen. Doch vielleicht wartet jemand in der selbst gewählten, abgedunkelten Abgeschiedenheit auf bessere Zeiten? Sinnbild könnte die Buswartehalle sein, die Joachim Reck wieder in Polen gefunden hat.

Die erste Arbeit einer neu entstehenden Serie kann zwar nicht mit dem verborgenen Innenleben der Häuserfronten spielen. Dafür tritt die Härte des Außenraumes mehr hervor. Die Formationen des einfachen Betonbaus, vor allem aber der Schattenwurf zerteilt das Bild in hart voneinander abgegrenzte Flächen. Hier kulminiert Joachim Recks stetig reduziertere Arbeitsweise, in der die Details immer mehr aus dem Bild verschwinden und der Gegenstand an sich sowie der Kontrast in den Vordergrund rücken.

ANDREAS HERGETH

Bis 21. Dezember, Dienstag bis Freitag 14–19 Uhr, Samstag 11–17 Uhr, Zwinger Galerie, Gipsstraße 3, Mitte

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