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15 warhol‘sche Minuten

Auch wenn die Besucher schon den bekannten Namen van Gogh tragen, die Kunsthalle Bremen machte sie erst zu Medienstars

Kunsthallenchef Wulf Herzogenrath ist ja selten um werbewirksame Ideen verlegen. Und gerade zur Weihnachtszeit, in der der „Schweinebauch ganz ordentlich durchhängt“, so Herzogenrath, müsse man sich schon was ganz Originelles einfallen lassen. In diesem Falle natürlich zur aktuellen Van Gogh-Ausstellung „Felder“. Also werden ein paar originale van Goghs in persona (die Van Gogh-Gemälde sind ja schon da) aus den Niederlanden eingeladen. Das ist so simpel wie genial: Man recherchiere im Internet und finde die Adressen der Personen heraus, die den begehrten Namen tragen. Um den Kunsthallen-Werbeetat nicht allzu arg zu strapazieren, suche man sich potente Partner: Bremer Touristik Zentrale, BSAG und Ibis Hotel. Mit diesem Rezept kann gar nichts schiefgehen. Quod erat demonstrandum. Gestern reisten sie an, die knapp über 20 van Goghs. Und lockten damit eine Meute Medienvertreter in die Kunsthalle. Mikros, Kameras, Blitzlichter, gezückte Stifte ... Außerdem machte der niederländische Honorarkonsul Hylke Boerstra seine Aufwartung, der, wie er „unter der Hand“ gestand, sich als „Trittbrettfahrer eingeschlichen“ habe, weil er die Sache im Sinne guter staatlicher Nachbarschaft so toll fände. Da waren die Holländer erstmal baff.

Die überrumpelten Gäste fanden sich aber erstaunlich schnell mit der Situation zurecht. „ Ich hatte keine Ahnung, dass hier soviel Presse auf uns warten würde“, wunderte sich beispielsweise Paula van Gogh. Doch die Mittfünfzigerin – anfänglich noch schüchtern und verlegen – fühlte sich keineswegs missbraucht. Vor der Fernsehkamera taute sie schließlich gänzlich auf: Kunstliebhaberin sei sie ohnehin, dann fiel ihr ein, dass es in ihrer Familie einige Künstler gebe und sie selbst habe mit zehn Jahren Fotografin werden wollen.

Neben der Ausstellungsbesichtigung und einer Stadtrundfahrt wurde den Besuchern noch eine ganz besondere Ehre zuteil: sie durften sich im „Jahrhundert-Gästebuch“ der Kunsthalle, Ersteintrag datiert auf 1906, namentlich verewigen. Das dürften sonst nur echte Berühmtheiten, betonte der gut aufgelegte Wulf Herzogenrath. Das waren die van Goghs zumindest im Warhol’schen Sinne für 15 Minuten.

Daniela Barth

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