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Es scheint ein schönes Jahr gewesen zu sein

Wenn es nach unseren Fotografinnen und Fotografen geht, dann war 2002 das Jahr der Feiern und der Ausgelassenheit. Mit immer neuen Ideen verzauberten Theaterleute und Artisten die Wallanlagen – die ihren 200sten Geburtstag feierten. Mal brannten Fackeln den ganzen Grünzug entlang, mal spielte ein Jugendzirkus vor begeisterten Kindern, mal stand gar ein Riesenrad auf dem Ostertorsteinweg und eroberte die Straße fürs Vergnügen zurück.

Und ein anderes mal taten sich ein paar Leute zusammen, um mit dem Theaterstück „Klein Nemo in Slumberland“ Abend für Abend die staunende Menge in ihren Bann zu ziehen. (Bild oben). Allen, denen es damals nicht gelungen ist, eine Karte zu ergattern, wurde versprochen, es gebe eine Wiederaufführung in diesem Jahr. Wir bitten inbrünstig darum!

Man kann auch auf andere Weise zusammen Spaß haben: Während in der halben Republik das Hochwasser grade mal so weit zurückgegangen war, dass man wieder Land sah, fand in Bremen die größte Trockenübung (fast) aller Zeiten statt. Bei der Katastrophenschutzübung, der Innensenator Kuno Böse mit angemessener Coolness beiwohnte, hatten die meisten Lösch-, Spreng- und Bergungskräfte ihre Freude (unten links). Die Technik pannte, aber von menschlichem Versagen war weit und breit keine Spur.

Auch in Bremerhaven geht es zuweilen lustig zu. In der Bucht, gleich neben dem Schifffahrtsmuseum hat Sommerfrische noch den Charme der alten Zeiten (unten rechts). Ohne jeden Charme verlief ein Drama gleich nebenan. Die SSW-Werft (hervorgegangen aus der traditionsreichen Schichau-Seebeck-Werft) stellte im September einen Insolvenzantrag. Aufträge hätte es schon gegeben. Allein, es war kein Geld mehr da. Bis heute wissen die Beschäftigten nicht, wie es für sie weitergeht.

Gespaltene Herzen auch zu einem anderen Anlass. Wie es in Bremen gute alte Sitte ist, finden hier Sachen zum ersten Mal statt, die anderswo schon auf dem absteigenden Ast sind. Und doch hatten die – jungen – Leute ihre Freude auf der Vision Parade (oben links). Eine Techno-Schlange zog sich über den Osterdeich, und auch die Damen und Herren Anwohner im (nicht mehr selbst aber immerhin noch) Gestrickten kamen und sahen viel Glitzerndes und viel nackte Haut und wussten nicht recht ... Es siegte aber die Leben-und-leben-lassen-Philosophie, ganz anders als beim Streit um ein Mc Donald’s-Restaurant im Weser-Stadion. Die Osterdeichler gingen auf die Barrikaden, sie wälzten Paragraphen, fanden ihr Hausrecht und machten Politiker reihenweise ein. Buttons wurden gedruckt im Nie-wieder-Krieg-Format, und am Ende setzte sich die kochende Viertel-Volksseele durch. Wer hätte es gedacht? Die Jüngsten rutschten derweil auf der längsten, und von einem Opa gänzlich privat organisierten Wasserrutsche auf der anderen Seite des Deiches (oben Mitte), und da gibt es seit eh und je nur Pommes und Bratwurst.

War noch was? Ja. Wahlen waren. Rot-Grün hat gewonnen, auch in Bremen, obwohl es nach Auszählung der Briefwahl-Stimmen noch anders aussah (Oben rechts).

Und sonntags nach der Wahl hinaus ins schöne Grüne, solange es noch steht. Auch 2002 war wieder voller Kämpfe um Grashalm & Co. Das Hollerland ist noch immer nicht bei der Europäischen Union angemeldet, von der Mahndorfer Marsch spricht schon fast keiner mehr, und mit dem Oeversberg in Bremen Nord hatte die Stadt zum Ende des Jahres nochmal eine neue Variante des Zanks um freie Flächen in der Stadt. Darf der Science Park da wuchern oder dürfen Sportlerträume weiter in den Himmel wachsen? Die Sache ist noch nicht ganz entschieden. Könnte man Gutachten fotografieren, diese Rückblick-Doppelseite müsste voll davon sein. Ein Gutachten soll auch im Oeversbergfall Abhilfe schaffen.

Viel frisches Grün lockt derweil noch in Lemwerder, das ist allerdings schon Niedersachsen. Zum Drachenfest zog es in diesem Jahr auch das eine oder andere heimliche Pärchen. Etwas näher und sehr viel gestylter: Der Riensberger Friedhof (unten rechts), der mit einem Foto-Portrait bekam, was er verdient: Aufmerksamkeit. Elke Heyduck

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