Architektur: Zerwürfnis in der historischen Mitte
Bei der Vergabe des Schinkel-Preises flammten wieder alte Streitigkeiten über die Bebauung der historischen Mitte auf. In der Jury trafen Befürworter einer historischen Bebauung auf überzeugte Urbanisten.
Vollbauen oder abreißen - die Neugestaltung der historischen Stadtmitte sorgt auch unter ArchitektInnen für Zündstoff.
Der diesjährige Schinkel-Wettbewerb für den Architekten-und Ingenieursnachwuchs verzeichnete mit 189 eingereichten Entwürfen einen Teilnehmerrekord. Thema des vom Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin (AIV) ausgeschriebenen Förderwettbewerbs ist die künftige Gestaltung der "neuen alten Mitte Berlins" zwischen Rotem Rathaus und Alexanderplatz. Der Verein will nach eigenem Bekunden eine öffentliche Debatte über den Ort anregen, der nach dem Abriss des Palastes der Republik und den Planungen zum Wiederaufbau des Stadtschlosses wieder ins Blickfeld der Stadtpolitik geraten sei.
Schon im Vorfeld der Preisverleihung gab es Streit zwischen der Fachjury und dem Kuratorium des AIV, dem auch der ehemalige Senatsbaudirektor Hans Stimmann angehört. Keiner der von der Jury vorausgewählten Entwürfe sah eine historische Bebauung des Areals zwischen Fernsehturm und Schlossplatz vor. Die bürgerliche Stadt mit Gassen, Häusern und den historischen Kirchen als Fluchtpunkte aber ist Herzensangelegenheit des ehemaligen Berliner Oberstadtplaners. Beim "Schinkelausschuss", dem letzten Treffen von Jury und AIV-Vorstand vor der Preisverleihung, kam es deshalb zum Eklat.
Der Schinkel-Preis gilt als bedeutendste Nachwuchsförderung für ArchitektInnen und IngenieurInnen. 2010 wurden in den Sparten Städtebau, Architektur, Landschaftsarchitektur und Konstruktiver Ingenierbau Ideen für die historische Mitte Berlins gesucht.
Trotz Rekordbeteiligung wurde nur ein Schinkelpreis in der Kategorie Architektur vergeben. Der Siegerentwurf von Stefan Drese sieht ein vierstöckiges Kulturzentrum entlang des Spreeufers vor.
Anerkennungs- und Sonderpreise erhielten u.a. ein Entwurf für einen steinernen Platz mit Raseninseln und eine von TU-Studenten erdachte X-förmige Spreebrücke. Alle Entwürfe sind bis 21 März täglich von 13 bis 18 Uhr im Bikini-Haus, Budapester Straße 42, zu sehen.
Nach Aussagen von Jurymitgliedern warf Stimmann der Jury Inkompetenz vor. Zwei abgelehnte Arbeiten, die eine dichte Blockrandbebauung vorsahen, wurden auf Stimmanns Ansinnen erneut in die Bewertung geholt. Bei der abschließenden Abstimmung sprach sich die Jury jedoch wieder mit großer Mehrheit dagegen aus. "Die Diskussion war ein Rückfall in den Dogmatismus vergangener Zeiten", sagte Gastpreisrichter Thomas Willemeit vom Architekturbüro Graft. Immerhin habe man sich am Ende noch auf einen Sieger einigen können.
Der einzige Schinkelpreisträger in diesem Jahr kommt aus der Fachsparte Architektur. Der 26-jährige Diplomingenieur Stefan Drese aus Hamburg schlägt ein vierstöckiges "Bürgerhaus" entlang des Spreeufers vor. Der kühn gewinkelte Solitär erinnert an das Kulturforum am Potsdamer Platz. Die Jury lobt die kreative Eigenständigkeit und den Mut des Siegerentwurfs. "Er bildet nicht einfach eine politische Haltung ab, sondern sorgt für einen Aha-Effekt", sagte Thomas Willemeit.
In den anderen Fachsparten fehlte es offenbar an originellen Ansätzen. "Der Ort war wohl zu schwierig und politisch aufgeladen für einen Studentenwettbewerb", sagte ein Mitglied der Jury zur taz. Das wichtigste Ergebnis des Wettbewerbs sei die Erkenntnis, dass das Areal vor einer Bebauung noch einiger Diskussionen bedürfe.
Die Debatte um den Vorplatz des Roten Rathauses hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) angestoßen, indem er sich demonstrativ für eine Bebauung ausgesprochen hatte. Ende vergangenen Jahres forderte Senatsbaudirektorin Regula Lüscher drei Planerbüros, darunter Graft und den früheren Schinkel-Preisträger David Chipperfield, dazu auf, fünf Visionen für die historische Mitte zu entwickeln. Darunter waren Vorschläge für einen Central Park mit Bäumen oder ein großes Hafenbecken - aber keine "historische Lösung", wie sie Stimmann oder Wowereit und seinem Staatssekretär André Schmitz vorschwebt.
Konkreter Handlungsbedarf besteht zum Glück erst ab 2017. Dann soll der U-Bahn-Bau abgeschlossen und das Humboldt-Forum auf dem Schlossplatz zumindest laut Plan beendet sein.
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