piwik no script img

Arche Noah als Metapher Von Mathias Bröckers

Das Projekt „Biosphäre 2“ war ehrgeizig: das Ökosystem der ganzen Erde in einem gigantischen Glashaus so perfekt zu simulieren, daß acht „Bionauten“ darin zwei Jahre überleben können. Finanziert vom Sproß einer texanischen Öldynastie, war das gläserne Bonsai-Raumschiff Erde in der Wüste von Arizona von Anfang an umstritten: von „Pseudowissenschaft“ über „Öko-Disneyland“ bis zu „Biobunker eines verrückten Millardärs“ reichte die Kritik. Als ich die Projektmanager 1991 dazu interviewte, verwiesen sie auf Dutzende Mitarbeiter und Berater von Topuniversitäten, auf den großen Erkenntnisschub für das Verstehen der Erde und das Besiedeln anderer Planeten.

Daß sich der Start dann fast zwei Jahre verzögerte, daß einige der honorigen Wissenschaftler unter dem Vorwurf des Mißmanagments absprangen, ebenso wie sieben der acht handverlesenen Bionauten, all dies war der Reputation des Projekts nicht gerade förderlich – und endgültig ins Aus geriet sie, als ein Journalist aufdeckte, daß man Bio-2 schon nach wenigen Wochen heimlich mit zusätzlichem Sauerstoff versorgt hatte, weil durch den gestiegenen CO2-Gehalt das Überleben der Insassen gefährdet war. Die Pflanzen produzierten weit weniger Sauerstoff als vorausberechnet, weil die Glasscheiben weniger Licht als erwartet durchließen – und einmal durcheinander, begann das Ökosystem aus 3.000 Pflanzen-und Tierarten, überall verrückt zu spielen. Zu der schlechten Luft kamen schlechte Ernten, und unter den Bionauten wiederholte sich ein 5.000 Jahre altes Drama: Die Hungrigsten wollten die der Wildnis vorbehaltenen Teile des Biotops in Farmland verwandeln. Dieser Raubbau hätte den endgültigen Zusammenbruch der Ökokreisläufe bedeutet und wurde verhindert – abgemagert, aber gesund führten die acht Forscher das zweijährige Experiment zumindest zu Ende. Inwieweit das pannenreiche Projekt nützliche Daten erbracht hat, darüber hat das Unternehmen in der ihm eigenen klandestinen Informationspolitik bisher wenig verlauten lassen; der Biologe Peter Warshall aber, der lange am Projekt beteiligt war, hat jetzt darüber berichtet. Sein Resümee: „Arche Noah ist eine Metapher, kein Programm. Wir sind beschränkt – eine Spezies, die nicht mehr als fünf oder sechs Variablen gleichzeitig im Bewußstsein haben kann. 3.000 Spezies in ein titanisches Terrarium zu stecken, liegt jenseits unserer Managmentfähigkeiten.“ Die Lektionen aus dem Scheitern der Biosimulation sind einfach: „Ökodesign ist schwierig. Es wimmelt vor Überaschungen. Sei bescheiden, wenn du versuchst, Gaias Absichten zu durchschauen.“ Immerhin zwei einmalige Erkenntnisse hat „Biosphäre 2“ bereits gebracht: zum einen können Menschen in CO2-reicher Luft sehr viel länger überleben, als bisher angenommen. Zum zweiten enstand in dem aus der Karibik transplantierten künstlichen Korallenriff des Glashauses eine neue Spezies, „Euphyperamoeba biospherica“, eine bisher unbekannte Amöbenart. Im Detail hat die Evolution auf diesem Miniplaneten also durchaus funktioniert, für das Ganze aber scheint nach wie vor das Paradox zu gelten: Wenn die Evolution des Lebens so simpel wäre, daß wir sie verstehen könnten, wären wir Lebewesen so simpel, daß wir es nicht könnten ...

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen