piwik no script img

Arcandor-PleiteMit Karstadt geht es weiter

Die Gläubiger der Kaufhauskette stimmen in Essen für eine Fortführung des insolventen Konzerns. Sechs Häuser müssen allerdings sofort geschlossen werden.

Fällt den Sanierungsplänen zum Opfer: Karstadt-Filiale in Dortmund. Bild: dpa

ESSEN taz | Der insolvente Warenhausbetreiber Karstadt soll mit einem harten Sanierungskurs vor der Zerschlagung gerettet werden. Mindestens sechs Filialen will der Insolvenzverwalter des ebenfalls zahlungsunfähigen Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor, Klaus Hubert Görg, bis Anfang 2010 schließen lassen. Weitere elf Häuser werden derzeit auf ihre Überlebensfähigkeit geprüft, so der für die Warenhäuser zuständige Beauftragte Görgs, Rolf Weidmann, bei der Karstadt-Gläubigerversammlung am Dienstag in Essen.

Zu der Schließung der Warenhäuser in Hamburg und München, des Technik-Warenhauses in Dortmund sowie der Multimedia-Standorte in Berlin, Braunschweig und Stuttgart gebe es keine Alternative, hieß es zur Begründung. Die stark defizitären Dependancen gefährdeten das Überleben von Karstadt insgesamt. Damit sind die Arbeitsplätze von über 400 MitarbeiterInnen akut in Not.

Der Essener Arcandor-Konzern hatte nach jahrelangem Missmanagement Anfang Juni zusammen mit seinen Töchtern Karstadt und Quelle Insolvenz angemeldet. Bereits am Montag hatte die Gläubigerversammlung die Auflösung der Arcandor-Holding beschlossen, die Karstadt, Quelle, weitere Spezialversender und Auslandsgesellschaften steuert. "Ihr Erhalt ist ganz offenkundig nicht erforderlich", bilanzierte Görg vor nur 96 anwesenden Gläubigern ernüchtert. Die Insolvenzquote werde "lediglich im Promillebereich liegen": Für jeden Euro, den die insgesamt 851 Gläubiger der Konzernmutter geliehen haben, bekommen sie nur wenige Cents zurück.

Arcandor hinterlasse rund 15 Milliarden Euro Schulden, sagte der Sprecher des Insolvenzverwalters, Thomas Schulz, der taz. Allein die Finanzämter warteten auf etwa 7 Milliarden Euro.

Die Warenhaustochter Karstadt steht sogar bei rund 40.000 Gläubigern in der Kreide, das Defizit beträgt aktuell rund 2,7 Milliarden Euro. Eine vollständige Zerschlagung von Karstadt sei nicht sinnvoll, so Weidmann: Bei einem sofortigen Ende der Kette drohten nur weitere "Forderungen durch Schadenersatzansprüche der Vermieter, Arbeitnehmer und anderer Gläubiger langfristiger Verträge". Zu befürchten sei eine Insolvenzquote "im einstelligen Prozentbereich".

Kein Wunder, dass die rund 300 Kreditgeber Karstadts, die sich in die 8.000 Menschen fassende Essener Grugahalle aufgemacht hatten, zu 99 Prozent für eine Fortführung stimmten.

Insolvenzverwalter Görg warb für einen Komplettverkauf der verbleibenden Karstadt-Häuser an nur einen Investor und lobte ausdrücklich Zugeständnisse der insgesamt 26.000 Beschäftigten, die am Wochenende auf Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und andere tarifliche Leistungen in Höhe von 150 Millionen Euro verzichtet hatten. Ähnliche Bewegung sei nun auch bei den Gläubigern nötig - schließlich habe auch der Hauptvermieter Karstadts, das Immobilienkonsortium Highstreet, Entgegenkommen signalisiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • H
    Hugo

    wenn die Insolvenzquote im Promillebereich liegt, bekommen die Gläubiger nicht "wenige Cent" pro geliehenem Euro, sondern weniger als einen Cent pro Euro Ausstand. Erbärmlich. Ich hoffe, der Insolvenzverwalter ist sich nicht zu schade, Schadenersatzforderungen gegen die ehemaligen Verantwortlichen zu prüfen, Rechtsgrundlagen gäbe es dafür durchaus.