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ArbeitsplätzeSparen am Menschen

Die Traditionswäscherei Berendsen in Glückstadt muss zum 1. Oktober schließen. Bei einem wichtigen Großauftrag wurde ein günstigeren Anbieter bevorzugt.

Trauern um ihre Arbeitsplätze: die Mitarbeiter von Berendsen. Bild: dpa

Die Wäscherin im weißen Kittel kämpft mit den Tränen, als sie vor dem Trauer-Kranz am Werkstor steht. "Wir haben jahrelang auf alles verzichtet und was ist der Dank dafür?", fragt sie. Seit Montag ist bekannt, dass die traditionsreiche Großwäscherei Berendsen in Glückstadt zum 1. Oktober endgültig ihre Pforten schließen wird.

Dann werden die 120 Beschäftigten in eine Transfergesellschaft wechseln und erhalten 90 Prozent ihres bisherigen Nettolohnes sowie eine Abfindung, bevor ihnen 2012 ein Leben von Hartz IV droht. Grund für die Entlassungen ist, dass die schwarz-gelbe Kieler Landesregierung den Wäschereiauftrag des Universitäts-Klinikums Schleswig-Holstein (UKSH) an den Rostocker Billiganbieter Sitex vergeben hat.

"Auch wenn wir diesen Kampf verloren haben, wir haben uns nicht sang- und klanglos in die Arbeitslosigkeit verabschiedet", sagt der Berendsen-Betriebsratsvorsitzende Antonio Gagliardi und bedankt sich bei der Belegschaft, für den jahrelangen Zusammenhalt.

Auch der örtliche IG Metall-Bevollmächtigte Uwe Zabel lobt die Belegschaft, rügt die "Geiz ist geil"-Mentalität der neoliberalen Landesregierung, die seiner Auffassung nach nach der Entscheidung des schleswig-holsteinischen Verfassungsgericht gar nicht mehr die Legitimität hat, solch weitreichende Entscheidung zu treffen.

In dieselbe Kerbe schlägt die IG Metall-Bezirksleiterin "Küste", Jutta Blankau "Die Vernichtung der 120 Arbeitsplätze in dem Traditionsbetrieb geht maßgeblich auf die falsche Vergabepolitik der Landesregierung zurück", kritisiert sie. Das Land sei von einem Privatisierungswahn befallen und habe deshalb die Vergabe eines Großauftrags der Unikliniken in Kiel und Lübeck an einen Billig- und Dumpinganbieter nicht gestoppt.

Blankau fordert deshalb die Einführung eines Tariftreuegesetzes in Schleswig-Holstein, mit dem bei öffentlichen Aufträgen ein Unterbietungswettbewerb zu Lasten der Beschäftigten verhindert werden könne. Sie lobt die Mitarbeiter von Berendsen, die immer wieder durch Hiobsbotschaften gebeutelt und zum 1. Mai sogar einen Hungerstreik geplant hatten, für ihren Einsatz in den vergangenen Monaten: "Die Kolleginnen und Kollegen haben unermüdlich gekämpft und mit vielen spektakulären Aktionen auf ihre Situation aufmerksam gemacht". Dadurch sei es ihnen letztlich auch gelungen, einen Sozialtarifvertrag durchzusetzen, der ihnen für bis zu zwölf Monate den Übergang in eine Transfergesellschaft sichert und sie zunächst vor der Arbeitslosigkeit schützt.

Für Abfindungen und die Transfergesellschaft hat der dänische Berendsen-Mutterkonzern im April 5,2 Millionen Euro bereitgestellt.

Die Rostocker Firma Sitex hatte Berendsen den Großauftrag im Wert von fünf Millionen Euro pro Jahr abgeluchst, da das Unternehmen seine MitarbeiterInnen mit acht Euro weit unter dem Branchen-Tariflohn von 9,57 Euro pro Stunde bezahlt und einen Scheintarifvertrag mit dem Christlichen Gewerkschaftsbundes (CDA) abgeschlossen hat.

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4 Kommentare

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  • P
    Pat

    Naja, ganz so ist das ja dann doch nicht. Zum einen ist das Traditionsunternehmen selbst ein Haifisch der den traditionellen Standort Glückstadt vor Jahren geschluckt hatte und sich dann hemmungslos in Deutschland ausgebreitet hat. Im Jahre 1997 gab es noch kein Berendsen in Deutschland und zweitens gelang die Expansion durch a.) Geld vom Konzernstandort Dänemark, später England (Davies Servicegroup Ltd.) und b.) durch den in Branchenkreisen lange kusierenden Titel: "Die Billigmacher". Nun hat das Unternehmen selbst mal ein Stück vom Kuchen verloren...na und? - Da wird der Hai mal selbst gebissen...schade nur für die Arbeiter in Glückstadt, die mal wieder wie so oft die Köpfe hinhalten müssen für drittklassiges Management... ebenso schlimm ist auch dass die Abwärtsspirale in der Lohnzahlung in diesem ehemals gut verdienendem Sektor derart vor die Hunde gegangen ist in den letzten 10 Jahren.Und das lustigerweise durch einem Unternehmen wie Berendsen, das den ehemals mittelständig geprägten Sektor zu großen Teilen mit ausgehölt hat und sich nun beschwert, dass es Leute gibt die nur eine kleine Spur dreister sind als Sie selbst.

  • A
    Andi

    Um ein paar Euro zu sparen gibt die Landesregierung also viele Euro mehr aus. Warum?

     

    Ganz einfache Rechnung:

     

    120 Hartz IV Empfänger zu je 359,- € ergibt mehr als eine halbe Million Euro Mehrausgaben. Dazu kommen Einnahmeausfälle, da die 120 ehemaligen Beschäftigten keine Steuern mehr zahlen und keine Beiträge zu den Sozialversicherungen.

     

    Aber so weit zu denken, das wäre ja zuviel verlangt.

  • J
    James

    Liebe Taz,

    warum werden kritische Stimmen hier einfach durch nicht veröffentlichen zensiert? So kann man nicht mit seinen Lesern herumspringen!

     

    Nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, auch die TAZ scheint sich den Regeln des Marktes anpassen zu müssen: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,717207,00.html

  • J
    James

    Sehr populistischer Titel. Nicht nur mit dem Finger auf andere zeigen, auch die TAZ scheint sich den Regeln des Marktes anpassen zu müssen:

    http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,717207,00.html