Arbeitsplätze für Flüchtlinge: Es dauert
Hunderttausende Flüchtlinge schaffen es hierzulande nicht, einen Fuß in den Arbeitsmarkt zu kriegen. Dafür haben viele Deutsche einen neuen Job durch Flüchtlinge.
Die Mehrheit der Flüchtlinge werde nicht in ein oder zwei Jahren in Arbeit sein, sagte IAB-Direktor Joachim Möller am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wenn wir es geschafft haben, nach fünf Jahren 50 Prozent in Lohn und Brot zu bekommen, ist das sicherlich ein Erfolg.“ Investiert werden müsse in Integration.
Von Dezember 2015 bis November 2016 schafften 34.000 Einwanderer aus den acht wichtigsten nichteuropäischen Asylherkunftsländern den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt. „Das sind unter anderem Syrien, Irak, Afghanistan, Nigeria, Eritrea und Nigeria“, sagte Möller. 57 Prozent davon seien in der Leiharbeit, anderen wirtschaftsnahen Dienstleistungen und im Gastgewerbe. 406.000 arbeitssuchende Flüchtlinge sind bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern registriert, 160.000 davon als arbeitslos erfasst.
2015 und in den ersten elf Monaten 2016 beantragten laut Bundesinnenministerium knapp 1,2 Millionen Menschen hierzulande formell Asyl.
Im Ein-Euro-Job-Programm für Flüchtlinge gibt es rund vier Monate nach dem Start noch weit weniger solche Arbeitsgelegenheiten als insgesamt geplant. „Nach ersten Zahlen entstanden bisher rund 5.000“, sagte Möller. Das von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) initiierte Programm startete am 1. August und soll 100.000 öffentlich geförderte Jobs für Flüchtlinge schaffen.
Durch die Flüchtlingsmigration entstanden auch Arbeitsplätze. „Wir rechnen mit einer Größenordnung im mittleren fünfstelligen Bereich, mit etwa 50.000 oder 60.000“, sagte Möller. „Beschäftigungszuwachs gab es etwa im Bau, bei außerschulischen Lehrtätigkeiten und Sprachlehrern, Wachleuten, Sozialarbeitern und in der öffentlichen Verwaltung.“ Etwa Sprachlehrer, Sozialarbeiter, –pädagogen und Erzieher könne das Land angesichts künftiger Migration auch weiter gut gebrauchen.
Zu früh für Bilanz
Der Beamtenbund dbb forderte Zehntausende weitere zusätzliche Stellen. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe es bereits rund 5.000 und bei der Bundespolizei etwa 2.000 zusätzliche Stellen gegeben. „Doch bei den Kommunen, etwa im Erziehungsdienst, in den Schulen, bei der Justiz und den Landespolizeien klaffen noch immer große Lücken“, sagte der dbb-Vorsitzende Klaus Dauderstädt der Deutschen Presse-Agentur. „Insgesamt schätzen wir den dadurch entstehenden zusätzlichen Personalbedarf auf rund 30.000 Stellen.“
Dauderstädt betonte: „Die Arbeit im öffentlichen Dienst ändert sich.“ Ohne interkulturelle Kompetenz gehe es heute schon an vielen Stellen nicht mehr. Oft bräuchten die Mitarbeiter auch mehr Fremdsprachen. „Das ist ein längerfristiger Wandel, der auch angesichts künftiger Migration nicht aufhören wird.“
Für eine Bilanz über die Auswirkungen der Flüchtlinge auf die Wirtschaft ist es laut Möller zu früh. „Es wird vermutlich keine Überschussrechnung sein. Aber Vielfalt kann auch produktiv sein.“
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