Arbeitsmarkt in Hamburg: Leiharbeit auf dem Vormarsch
Firmen setzen nach der Wirtschaftskrise verstärkt auf Leiharbeiter - und viele drücken auf diesem Wege die Löhne. Gewerkschaften fordern gleiche Bezahlung.
HAMBURG taz | Nach Gewerkschaftsangaben ist Hamburg die "Hauptstadt der Leiharbeit" - und die Branche boomt gewaltig. Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Leiharbeiter in Hamburg um 5.000 gestiegen. Mit 30.745 Leiharbeitern liegt Hamburg vor Berlin (27.900) und Frankfurt (22.675), sagte der DGB-Vorsitzende Hamburg, Uwe Grund, bei einer Pressekonferenz am Montag.
"Der Trend weg vom festen Beschäftigungsverhältnis hin zu mehr Leiharbeit zeichnet sich nicht erst seit den letzten Jahren ab", berichtet Grund, "normal" sei aber in Hamburg ein Anstieg um 1.000 Leiharbeiter pro Jahr. Voriges Jahr sei die Zahl aber extrem angestiegen, weil die Unternehmen nach der Wirtschaftskrise Produktionsspitzen am unkompliziertesten mit Leiharbeitern abfangen konnten.
"Für Beschäftigte ist das aber meist keine gute Nachricht: Denn Leiharbeit bedeutet oft Lohndumping und Ausbeutung", sagt Grund. Bestätigen kann das Henning O., ein 53 Jahre alter Leiharbeiter, der seit zwei Jahren für einen Airbus-Zulieferer arbeitet: "Es gibt zwei Klassen im Betrieb. Ich verdiene elf Euro die Stunde, wohingegen meine fest angestellten Kollegen mindestens 15 Euro bekommen." Wenn er so weitermache, werde er mit einer Rente von 800 Euro in die Altersarmut steuern.
Viele Leiharbeiter müssten zusätzlich staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, um über die Runden zu kommen, sagt Eckard Scholz, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Hamburg. Das sei nichts anderes als ein "Solizuschlag" der Steuerzahler für die Arbeitgeber. Im letzten Jahr habe der Bund elf Milliarden Euro für Kombilöhne ausgegeben. "Die Unternehmen können so ganz legal ihre Löhne niedrig halten, der Steuerzahler wird diese Niedriglöhne schön ausgleichen", so Scholz weiter.
Nur 15 Prozent der Neueinstellungen in der Metall- und Elektroindustrie seien unbefristet. Rund 43 Prozent der neu Eingestellten seien Leiharbeiter. Bei den jungen Arbeitnehmern von 20-24 Jahren erhalte gerade einmal jeder Zweite einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Die Gewerkschaften fordern gleichen Lohn für gleiche Arbeit: "Es ist nicht verständlich, wie ein Leiharbeiter, nur weil er die Schraube links reindreht weniger bekommt, als ein Festangestellter, der die Schraube rechts reindreht", sagt Scholz.
Flexibilität am Arbeitsmarkt sei generell nichts schlimmes, sagt Alexander Kahl, stellvertretender Betriebsrat in der Leiharbeits-Firma Molis. Aber das müssten sich die Unternehmen auch etwas kosten lassen. "Deswegen muss Equal Pay her. Um das Risiko der plötzlichen Arbeitslosigkeit abzufedern, sollte Leiharbeitern außerdem ein Risikozuschlag bezahlt werden wie in Frankreich", so Kahl.
Leiharbeit ist auch unter Festangestellten ein Thema. "Ich weiß ja gar nicht, wer von den Leiharbeitern morgen noch da ist", sagt Thomas Wolf, Betriebsratsvorsitzender des Airbus-Zulieferers Dasell. "Es ist ein enormer Druck zu wissen, jederzeit kündbar zu sein", sagt Wolf. Gleichzeitig merke man, wie Festangestellte durch Leiharbeit im Betrieb unter Druck gerieten.
24. Februar: DGB-Aktionstag gegen den Missbrauch von Leiharbeit
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