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Arbeitsmarkt in DeutschlandGroßstädte immer beliebter

Während bundesweit die Zahl der Arbeitsplätze stagniert, wächst sie in den großen Städten. Diese entwickeln sich laut einer Studie zu Zentren hochwertiger Dienstleistungen.

Weniger Industrie, mehr Dienstleistungsunternehmen: Junge Erwachsene ziehen zum Arbeiten immer häufiger in Großstädte. Bild: dpa

BERLIN taz | Reurbanisierung in Deutschland: Immer mehr Menschen zieht hierzulande in die Großstädte. Um drei Prozent sind die Städte, die mehr als eine halbe Million Einwohner haben, in den vergangenen zehn Jahren gewachsen. Bundesweit schrumpfte hingegen die Bevölkerungszahl um zwei Prozent. Diese Ergebnisse ihrer aktuellen Studie stellten Kurt Geppert und Martin Gornig vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Dienstag in Berlin vor.

Vor allem junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren zieht es in die Großstadt. Ein möglicher Grund dafür: In den Großstädten stieg die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seit 1999 um vier Prozent - entgegen dem deutschlandweiten Trend, der Stagnation bedeutete. In den Städten gab es in den vergangenen zehn Jahren zwei gegensätzliche wirtschaftliche Entwicklungen: Industrien bauten ihre Arbeitsplätze ab, Dienstleistungsunternehmen für Beratung, Werbung oder Versicherungen siedelten sich an. Aufgrund des großen Dienstleistungssektors machte sich in den Städten die aktuelle Wirtschaftskrise nicht so deutlich bemerkbar wie im übrigen Teil des Landes. "Damit sind die deutschen Großstädte Gewinner des Strukturwandels", sagt Geppert.

Der Forscher ist davon überzeugt, dass vor allem das Internetzeitalter den Großstädten Auftrieb gegeben hat: "Die für den Fortschritt notwendigen Ideen werden in den Städten produziert, wo die klugen Köpfe sitzen und es einen regen Wissensaustausch gibt." Die Großstädte dienten somit als Zentren dieser Unternehmensbranche, die sich in den vergangenen Jahren sehr dynamisch entwickelte. So stieg die Zahl der Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche zwischen 1999 und 2009 um 23 Prozent in den Städten - bundesweit hingegen lediglich um 15 Prozent.

Ob die jungen Menschen nun aufgrund der Jobs in die Städte ziehen oder ob die Unternehmen den Menschen hinterherwandern, können die Forscher nicht eindeutig klären. Sicher ist für sie aber, dass die beiden Trends zusammenhängen. Dass vor allem junge Erwachsene zwischen 25 und 30 Jahren den Großstädten starke Zuwächse um zwölf Prozent bescherten, während ihre Zahl deutschlandweit um knapp fünf Prozent sank, führt Gornig auf einen veränderten Lebensstil zurück. Private und kulturelle Angebote seien für diese Altersklasse sehr bedeutend. Wichtig sei auch, dass beide Partner arbeiten können. "Entscheidend für die Attraktivität der Städte ist, dass nicht nur junge Männer, sondern auch die Frauen dort eher einen Job finden."

Neu ist nämlich auch ein Trend: Während junge Akademiker schon immer zum Studieren in die Großstädte gingen, bleiben sie nun auch häufiger nach der Universitätsausbildung dort. So gebe es deutliche Anzeichen dafür, dass die Unternehmen bereits bei ihrer Standortwahl die Wohnwünsche der Hochqualifizierten berücksichtigten, stellte Gornig fest. Letzteres treffe beispielsweise auf Berlin zu, wo eine starke Medien-, Kunst- und Kulturszene entstanden sei. Diese biete allerdings häufig nur befristete Arbeitsverträge und damit schwankende Einkommen.

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3 Kommentare

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  • B
    Birgit

    wohne seit einem Jahr in Berlin. Berlin scheint die Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein und es wird in der Tat viel Raum geboten, sein Ding zu machen. Ich nehme hier sehr viel Toleranz gegenüber Neuem, Innovativem wahr. Es wird nicht alles erst mal tot-kritisiert. Berlin scheint mir eine Art Gegenbewegung zu den strikten, einengenden Vorschriften darzustellen, die andernorts in Deutschland die Städte regieren.

    Schade, denn eigentlich finde ich das Leben in der Natur viel schöner und fänd's toll, wenn dort auch mehr Offenheit vorhanden wäre, so dass sich das alles etwas mehr verteilen könnte.

  • JK
    Juergen K

    Ja klar :

    Hochwertigste Call-Center.

     

    Und jeder Arbeitsuchende hat statistisch gesehen 3 Personalvermittler, 4 Coaches, 7 Subventionsberater, 3 Rechtsanwälte und 2 Formularausfüller. Die Zahl der ehrenamtlichen Psychoberater, die das Abwandern in den Terrorimus verhindern gar, nicht eingerechnet.

     

    Der Rest der Dienstleister schiebt Wache in den Argen und Jobcentern ("Du kommst hier net rein").

     

    Als neuester Zweig soll die Berater-Berater und Consulter-Consulter Branche entstehen.

     

    Selbst Zeitarbeitsvermittler werden outgessourced und ziehen sich gegenseitig 30% von den Verträgen ab.

     

    Mit Reisebussen werden sie von Personalvermittlungsstandort zu Standort gekarrt um je nach Veröffentlichung in den Gazetten die Wirtschaftsentwicklung -ja sogar- einzelner Strassenzüge zu untermauern.

  • C
    claudia

    >>So stieg die Zahl der Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche zwischen 1999 und 2009 um 23 Prozent in den Städten - bundesweit hingegen lediglich um 15 Prozent.