piwik no script img

Arbeitslose werden gebrauchtDer Jobber-Streit geht weiter

Hamburg kürzt zum 1. Juli doch 2.000 Ein-Euro-Jobs, klagen die Beschäftigungsträger. Dabei sei ausreichend Geld da. Mittelverwalter Team Arbeit behauptet, retten zu wollen, was zu retten sei.

Versprechen gebrochen? Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) wollte eigentlich auf die Streichung von 2.000 Ein-Euro-Jobs verzichten. Bild: dpa

Ende April schien der Streit um Ein-Euro-Jobs abgewendet. SPD-Sozialsenator Detlef Scheele hatte versprochen, wenn möglich auf die Kürzung von 2.000 Plätzen zum 1. Juli zu verzichten. Doch die Beschäftigungsträger haben nun ihre Zuweisungszahlen erhalten und gehen von einer drastischen Kürzung von vormals 6.600 auf 4.600 Plätzen aus. Da Geld für das zweite Halbjahr fehle, müssten sogar 1.000 Langzeitarbeitslose ihre Fördermaßnahmen abrupt beenden.

Die endgültigen Bescheide haben die Träger noch nicht, dafür aber Antragsvordrucke, aus denen die Zahlen hervorgehen. "Wir sind in keiner anderen Situation als vor drei Monaten", sagt Träger-Sprecherin Petra Lafferentz. "Nur die Zeit rennt uns weg." Es bleibe kaum etwas andere übrig, als die gekürzten Bescheide anzunehmen.

Nach wie vor gibt es Streit darum, wie viele Arbeitsgelegenheiten (AGH) aus dem vom Bund gekürzten Budget von 40,4 Millionen Euro finanziert werden können. Unter dem schwarz-grünen Senat war für das erste Halbjahr eine Bewilligung von 6.600 Plätzen zugesichert worden. Bei Kosten von 505 Euro für eine Maßnahme könnte diese Platzzahl "problemlos das ganze Jahr durchfinanziert werden", sagt Lafferentz.

Ungewisse Zukunft

Ab 2012 sind die Beschäftigungsprojekte von weiteren Kürzungen des Bundes bedroht. Der Senat will nach der Sommerpause ein neues Arbeitsmarktprogramm vorlegen.

Ein-Euro-Jobs sind seit je her umstritten. Wenn der Bund wie geplant die Pauschalen für die Träger von 350 auf 150 Euro kürzt, haben mit deren Hilfe erhaltene Projekte keine Zukunft.

Hamburg bietet unter anderem das mit EU-Mitteln geförderte Modell der Bürgerarbeitsplätze. Diese sind aber so ausgestattet, dass sie keine Projektstrukturen finanzieren.

Doch die Team Arbeit Hamburg (TA), die das Geld verwaltet, und der Sozialsenator sprechen von jahresdurchschnittlich nur 6.150 Plätzen. Diese Marge dürfte auf keinen Fall überschritten werden, sagt Sprecher Horst Weise. Versprochen hatte Scheele im April aber, übrige Plätze aus dem ersten Halbjahr zu übertragen und keinen "künstlichen Deckel" aufzulegen. Außerdem werde es keinen veränderten Maßnahme-Mix geben.

"Die Team Arbeit tut so, als hätten wir das Budget des ersten Halbjahres voll ausgeschöpft, und reduziert die Zahlen für das zweite Halbjahr drastisch", sagt Lafferentz. Dabei wisse die Verwaltung noch gar nicht, wie viel Geld verbraucht wurde. Dass Plätze unbesetzt blieben, und wohl auch in Zukunft bleiben, liege an der zögerlichen Zuweisung durch eine zentrale Abteilung der TA. Diese gerate aufgrund "administrativer Schwierigkeiten" ins Stocken, sodass auch deshalb Träger in ihrer Existenz gefährdet würden.

Kersten Tormin, Geschäftsführer des Trägers Mook Wat, regt auf, dass zudem zum 1. Juli die Schwerpunkte verschoben wurden. Bei Stadtteilprojekten und in der Jugendarbeit werde überproportional gekürzt. "Und es werden Maßnahmen gefördert, die es schon nicht mehr gibt." Für den Stadtteil Dulsberg bedeute dies, dass wichtige Projekte wie die Stadtteilküche "Pottkieker" gefährdet seien.

Tormin stellen die neuen Zahlen noch vor ein anderes Problem: Selbst wenn ab Juli keine neuen Teilnehmer mehr kämen, reiche das Geld nicht, um vorhandenen Ein-Euro-Kräfte ihre Maßnahme beenden zu lassen. "Ab September ist kein Geld mehr da, uns fehlen 240.000 Euro", sagt Tormin. Er geht davon aus, dass hamburgweit besagte 1.000 Langzeitarbeitslose ihr Projekt vorzeitig verlassen müssen.

TA-Sprecher Weise will Einzelfälle wie diese nicht kommentieren. Auch die neue Hochrechnung der Träger will er "nicht bestätigen". Die neuen Bescheide würden erst demnächst verschickt. "Wir tun aber wirklich alles, um zu retten, was zu retten ist", sagt Weise. "Wir sind nicht gegen die Träger".

"Es stimmt nicht, dass bis zu 1.000 Arbeitslose ihre Maßnahme abrupt beenden müssen", ergänzt Sozialbehörden-Sprecherin Julia Seifert. Jeder könne die Zeit seiner Förderdauer in einer "für ihn geeigneten Arbeitsgelegenheit fortsetzen".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • N
    NADI

    @Albrecht

    Die trinken täglisch Schampus und machen sich eine feine Zeit beim Ein-EURO-Job - so klingt das.

     

    Laut einem Medienbericht lag das Durchschnittseinkommen im Jahr bei 40.642 Euro Brutto. Wenn Ihre Rechnung stimmen würde, wäre der Arbeitslose wohl eher bei einer Jahressumme von 10.000 bis 12.000 mit Arbeit. Finden Sie das wirklich gerecht oder sinnvoll? (Und killen dabei noch Normalarbeitsplätze)

  • A
    Albrecht

    360,00 Euro Regelsatz

    380,00 Euro Miete (geschätzt für eine Singlewohnung)

    130,00 Euro für den 1-Euro-Job

     

    Macht 870,00 Euro

    Nettoeinkommen, bei geschätzten 160 Stunden im Monat einen Stundenlohn von 5,44 Euro Netto! Da wohl kaum 160 Std. im Monat erreicht werden, kann der Stundensatz getrost höher angesetzt werden.

     

    Wer da von einem Mindestlohn von 7,50 Euro/Stunde redet hat in der Tat nichts verstanden. Von Existenzsichernden ARBEITSEINKOMMEN kann evtl. ab 10,00 Euro/Std. gesprochen werden.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Ausbeutung der Arbeitskraft

    Arbeitnehmer ,die auf MAE Basis eingestellt werden,üben keine Arbeit in dem Sinne aus,sondern gehen einer Arbeits-Bschäftigungstherapie nach.

    Arbeit muss sich lohnen-deshalb sollte die Arbeit auch entsprechend honoriert werden,mit einem Mindeslohn von 7,50 Euro pro Stunde.

    Verbände und die Kirchen sollten keine MAE Maßnahmen durchführen,im Bezug auf Ausbeutung der Arbeitskraft.

    Mit Recht hat der Bundesrechnungshof die MAE gerügt,was zur Folge haben sollte,dass sie nicht mehr angeboten werden sollten.Ein Ausstieg aus der Erwerbslosigkeit führen MAE`s nicht.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Keine Arbeitnehmer dritter Klasse

    Langzeiterwerbslose sollten nicht in 1 Euro jobs vermittelt werden,weil sie nicht Arbeitnehmer dritter Klasse sind.Langzeiterwerbslose sollten in Maßnahmen geführt werden,wo sie ein richtiges Entgeld am Monatsende erwwartet,von dem sie ihren Lebensunterhalt finanzieren können.

    MAE _Maßnahmen kann man nicht als Arbeit bezeichnen,sie sind mehr als eine Beschäftigungs-therapeutische Maßnahme zu sehen.Es werden vom MAE Entgeld keine Abgaben gezahlt,wie Arbeitslosenversicherung,Rentenversicherung.

    Kinderarbeit wird verurteilt,dies sollte auch auf die 1 Euro Jobs zu treffen,zu Mal der Bundesrechnungshof diese banstandet hat.

  • WR
    Weiße Rose

    Ein - Euro Jobs sind höchstens legitim, wenn Betroffene diesen absolut freiwillig - ohne Repressalien bei Ablehnung - machen können.

    Alles andere grenzt an Zwangsarbeit und gehört sofort abgeschafft, auch wenn die Träger noch so aufschreien!

  • H
    Harok

    Nicht die Arbeitslosen werden gebraucht, sondern die Kohle vom Amt, weil sie praktisch ohne Gegenleistung ausgezahlt wird. Im Durchschnitt 560 EURO im Monat dafür, dass ein Arbeitsloser für 1,20 bis 1,40 EURO pro Stunde auch noch arbeitet. Wer sich solch ein Modell ausgedacht hat?

     

    Tja, gar nicht so weit weg von Scheele, der ja einst mit der Hamburger Arbeit prächtig weit vorne dabei, war möglichst viel Kohle für diese AGHs abzuzweigen. Im grunde genommen waren diese Maßnahmen ein Selbstbedienungsladen für die Träger.

    Und die meisten haben nie die vereinbarten Ziele erreicht.

     

    Schlimm ist, dass es auch Arbeitslose gibt, die so was brauchen, weil sie trotz Boom und Aufschwung dies 130 bis 180 EURO im Monat brauchen. Wirklich freiwillig maschiert niemand zu einer AGH - schon alleine deswegen sollte Scheele mal wirklich ein anderes Angebot, ein faireres ausdenken und das anbieten.

     

    Die Mittel und die Autorität dafür hätte er, aber er wird es nicht tun, weil genau diese SPD für eine miese Arbeits- und Sozialpolitik steht. Er streicht die 1-EURO-Jobs auch nur, weil sie eben überhaupt nichts bringen und weil die Trägerszene eine Art Abzockerszenne ist, die man unter normalen Konditionen vor Gericht zerren müsste.