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Arbeitskampf in FrankreichKohle oder Bumm

Trotz politischer Vermittlungen eskaliert die Situation im französischen Arbeitskampf. Manager wurden festgehalten und mit der Sprengung eines Betriebs gedroht.

Manager als Geiseln und Gasflaschen als Drohmittel - ganz normaler Arbeiterkampf in Frankreich. Bild: ap

PARIS taz | "Dies ist die allerletzte Chance", sagten die sieben Gewerkschafter aus der abgewickelten französischen Auto-Zulieferer-Fabrik New Fabris, bevor sie am Mittwochnachmittag Industrieminister Christian Estrosi in Paris begegneten. "Das Einzige, worüber wir reden wollen, ist die Abfindungsprämie von 30.000 Euro", sagte CFDT-Vertreter Eric Poisson.

Knapp zwei Stunden später hieß es: "Wir sind sehr enttäuscht." Die Gewerkschafter kündigten an, dass die 366 entlassenen Arbeiter des Unternehmens am heutigen Donnerstag in einer Vollversammlung entscheiden werden, ob sie die Gasflaschen wieder auf das Dach der Fabrik bringen, um erneut mit der Sprengung des Gebäudes zu drohen. Der Abbau der explosiven Behälter war die Voraussetzung für das Treffen mit dem Minister gewesen.

Der Industrieminister sprach dagegen von einer "konstruktiven Begegnung". Er hatte Vorschläge vorgelegt, mit denen jeder der Gekündigten eine Prämie von rund 11.000 Euro bekommen könnte. Höhere Abfindungen lehnte er ab, stattdessen bot er den Protestlern Übergangsverträge für ein Jahr an - mit teilweiser Lohnfortzahlung.

Während der Minister versucht, bei New Fabris zu entschärfen, eskalieren die Konflikte in anderen französischen Betrieben. Bei dem Autoreifenhersteller Michelin in Montceau-les-Mines in Ostfrankreich hielten 50 Beschäftigte vier Manager in der Nacht zu Mittwoch mehrere Stunden lang fest.

Damit protestierten sie gegen Sanktionen gegen zwei Arbeiter, die sich geweigert hatten, Maschinen zu benutzen, an denen sie nicht angelernt waren. Bei dem Reifenhersteller herrscht Höchstspannung, seit die Konzernleitung mehrere hundert Stellenstreichungen angekündigt hat.

In Malaucène in der südfranzösischen Vaucluse hinderten Beschäftigte der örtlichen Papierfabrik ihre Patrons mehrere Stunden lang daran, den Verhandlungstisch zu verlassen. Diese wollten gehen, ohne dass es zu einer Einigung über Abfindungen gekommen war.

Gleichzeitig wartet Industrieminister Estrosi mit einem Erfolg in einem Konflikt auf, in dem die Beschäftigten ebenfalls mit Sprengung gedroht hatten. Die Beschäftigten der Telekommunikationsfirma Nortel beendeten am Dienstagabend ihre Protestaktionen, nachdem Estrosi die Beihilfe zu den Abfindungsprämien um mehrere Millionen Euro aufgestockt und zugesagt hatte, bei der Unternehmensspitze in England weitere Millionen locker zu machen.

Nun kündigte Estrosi an, strenger gegen die Automobilindustrie vorzugehen. Im Januar hatte die Regierung ein Milliarden-Programm aufgelegt, um die Hersteller zu unterstützen. Davon gingen 6 Milliarden Euro an die beiden großen, Renault und PSA. Das Geld war für die Unterstützung der gesamten Produktionskette gedacht. Dennoch gehen Zulieferer wie New Fabris reihenweise ein. Am 28. Juli will Estrosi Vertreter von Renaut und PSA empfangen, um ihnen die Leviten zu lesen.

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7 Kommentare

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  • F
    Flo

    Hier wird sich garantiert nichts ändern!

     

    Der Otto-Normalverbraucher ist viel mehr damit beschäfftig zu streiten, wer den freien Parkplatz vorm Aldi zuerstgesehen hat und wer zu erst geblinkt hat. Anschließend wird sich noch über den Nachbarbaum im Schrebergarten aufgeregt, welcher 7cm über die Geundstücksgrenze gewachsen ist. Der ganze Tag wird mit ein paar Bierchen am Stammtisch der Lieblingskneipe abgerundet. Dabei wird mit den Kummpels der Konsens geschlossen wie schlecht es dem deutschen Mittelstand geht und wieviel Schuld daran auf das Konto der bösen Ausländer geht. Anschließend zu Hause im Bett noch schnell etwas geschmollt und am nächsten Tag ist (abgesehen vom Kater) alles wieder im Lot.

  • A
    Antinazi!!

    In Deutschland brodelt es auch schon, überall reden die Leute über die Politik und die Krise.

    Ich hoffe das bleibt nicht nur beim reden!!

    Wenn die Leute sich um Arbeitsplatz, Soziale Sicherheit, Rente, u.s.w. fürchten müssen, werden auch in Deutschland Menschen auf die Strasse gehen und Widerstand leisten.

    In Deutschland dauert das halt etwas länger als in Frankreich.

    Wer mit offenen Augen und Ohren durch die Welt läuft wird merken, das es in Deutschland sehr am brodeln ist.

  • A
    Antwort

    @ angélina

     

    Für alles gibt es einen Grund. Aber einmal davon abgesehen: Es zeigt nicht gerade von politischer Rafinesse, wenn einer Regierung nichts anderes einfällt, als alle Unzufriedenen mit Gewalt zu begegnen. Die Wut der Franzosen ist keine Aktion, die mal so eben auf die Schnelle entstanden ist. Da hat es schon lange vorher gebrodelt. Frust und Verzeiflung die kein Ventil finden münden in Zorn. Und eines der ältesten Gesetze (was seit angedenken der Menschheit immer ignoriert wird) ist: Gewalt produziert Gegengewalt. Udn trotzdem... immer wieder die alte Leier. Polizeiaufgebote, Schlagstöcke, Züchtigungsversuche... Gewalt, Gewalt, Gewalt. Keine Spur von Diplomatie.

     

    Der Deutsche ist von einem anderen Gemüt. Er hat es gelernt zu gehorchen und korrekt zu arbeiten. Allerdings bedeutet dies nicht, dass er mit sich alles machen läßt. Ein großer Unterschied zu Frankreich und Deutschland besteht darin, dass sich die Franzosen weniger gegenseitig attackieren. So halten Obdachlose und höhere Angestellte zusammen, verbünden sich und bilden Interessengemeinschaften. Doch was macht der Deutsche? Er schimpft über Hartz IV-Empfänger und fällt über alle her, die in der Hierarchie unter ihm stehen. So hat der Deutsche einen Weg gefunden seinen Frust loszuwerden und zwar einfach an den Untergebenen. Das führt natürlich zu keiner Verbundenheit, es teilt.

     

    Und doch sollte man sich nicht allzusehr darauf verlassen. Denn die menschliche Natur ist unberechenbar. Und wie wir ja alle wissen: Die stillen Gewässer, sind die tiefen! Der Bach ist zwar laut, aber ungefährlich.

  • A
    angélina

    Und in Deutschland bleibt man so träge wie immer - warum geht in die Köpfe der Deutschen nicht rein, dass man sich nicht alles muss gefallen lassen und man immer die Möglichkeit hat sich zu wehren? Stattdessen heulen sie weiter nur rum und beklagen untereinander ihr Leid und das ewige Elend. Und manchmal machen sie eine ruhige Demo.

  • CS
    C. Sainte-Honorine

    Bei uns in Frankreich glaubt man immer weniger, dass der Konsenzdialog etwas bringt. Der Komiker Coluche sagte es treffend: "In der Diktatur heisst es: Halt's Maul! In der Demokratie heisst es: Rede Du nur..." Heute trifft das noch mehr zu als damals in den 80iger Jahren. Die Ausbeutung von Menschen wird immer schamloser praktiziert, Ausgrenzung und Benachteiligung von leistungswilligen und oft gut ausgebildeten Menschen wird schweigend hingenommen. Könnte man da nicht auf den Gedanken kommen, dass nur Gewalt etwas bewegen kann?

  • R
    rob

    da sieht man mal den kampgeist der französischen arbeiter,respekt.

     

    die deutschen? na ma schön weiter bild lesen und stiefel lecken.

  • D
    duck

    So wirds gemacht! Wuenschte die Arbeitnehmer

    in Deutschland wuerden sich genauso wehren!