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Arbeitskampf des KlinikpersonalsVivantes bestreikt Rot-Rot-Grün

Der verkorkste Beginn der Streiks bei den landeseigenen Kliniken zeigt: Auf Berlin kommt wohl ein mit allen Mitteln geführter Arbeitskampf zu.

Streik? Oder doch nicht? Protestierende am Montag vor der Vivanteszentrale Foto: dpa

Berlin taz | „Hört auf, immer die verklemmten und braven Pflegekräfte zu sein! Seid verdammt noch mal wütend!“, ruft eine junge Rednerin der Berliner Krankenhausbewegung vor der Vivanteszentrale in der Aroser Allee in Reinickendorf. Mehrere hundert Streikende der kommunalen Krankenhäuser Charité und Vivantes johlen und applaudieren. Die Stimmung ist aufgeheizt.

Der erste Streiktag der Krankenhausbeschäftigten in diesem lang angekündigten Arbeitskampf hat am Montag dramatisch begonnen. Am Morgen ließ die Klinikleitung von Vivantes den Streik der Beschäftigten kurzerhand durch das Berliner Arbeitsgericht vorläufig verbieten.

Das Thema Entlastung, so der kommunale Krankenhauskonzern in einer Mitteilung, sei im Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) bereits „abschließend geregelt“. Da der TVöD nicht insgesamt gekündigt wurde, verstoße Verdi gegen die sogenannte Friedenspflicht. Sie untersagt es einer Gewerkschaft, gegen einen ungekündigten Tarifvertrag zu streiken.

Der Krankenhausbewegung geht es eigentlich um einen vom TVöD unabhängigen Entlastungsvertrag. Dennoch folgte das Arbeitsgericht der Argumentation der Arbeitgeberseite. Für diesen Dienstag ist eine mündliche Verhandlung angesetzt. Bis dahin ist es Vivantes-Beschäftigten verboten zu streiken.

Bereits am Freitag hatte das Arbeitsgericht den Arbeitskampf der Beschäftigten der Vivantes-Tochtergesellschaften verboten. Hier argumentierte das Gericht, Verdi könne eine Notdienstvereinbarung nicht „einseitig“ festlegen. In einer solchen Regelung einigen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Falle eines Streiks im Gesundheitssektor normalerweise auf eine Mindestbesetzung, die die Notversorgung von Pa­ti­en­t:in­nen sicherstellen soll.

Wir sind der Eigentümer, verdammte Scheiße!

Klaus Lederer, Linke

Da es zu einer solchen Einigung nicht kam, konnte das Gericht den Streik untersagen. Verdi bezeichnete die Entscheidung als „Horrorurteil“. Schon zuvor hatte aus den Reihen der Gewerkschaft geheißen, die Klinikleitung ziehe die Verhandlungen in die Länge; möglicherweise, um eine Einigung zu verhindern.

Vivantes wehrt sich also vollumfänglich gegen den Arbeitskampf der Beschäftigten. Stand Montagnachmittag sind nun nur noch die Beschäftigten der Charité überhaupt streik­berechtigt. Entsprechend wütend waren die Protestierenden, die sich am Montagmorgen vor der Vivanteszentrale versammelten. Kurzerhand entschied sich ein Großteil von ihnen zu bleiben, bis „das Ding vom Tisch ist“, wie es eine Rednerin unter lautem Applaus formulierte.

Die zuständige Fachbereichsleiterin der Gewerkschaft, Meike Jäger, erklärte indes, Verdi könne ein solches Urteil „nicht ignorieren“. Der Streik müsse deshalb zunächst heruntergefahren werden, bis das Gericht final entschieden habe.

Ebenfalls anwesend sind die rot-rot-grünen Spit­zen­kan­di­da­t:in­nen für die Abgeordneten­hauswahl am 26. September sowie CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner. Als Franziska Giffey (SPD) die Bühne betritt, hallen Buhrufe und Pfiffe über den Platz. Sie schafft es kaum zu erklären, dass die einstweilige Verfügung „zu kritisieren“ sei. Bettina Jarasch (Grüne) zeigt sich „fassungslos“ und nennt das „Gezerre“ um die Notdienstvereinbarung „unwürdig“.

Auch die Spitzenkandidat*innen, hier die Grüne Bettina Jarasch, sind zum Streikauftakt gekommen Foto: dpa

Der Einzige, der keine Buhrufe abbekommt, ist Klaus Lederer (Linke). „Stinksauer“ sei er über das „Union Busting“ und die „Verarsche“ seitens der Vivantes-Klinikleitung, erklärt er. „Wir sind der Eigentümer, verdammte Scheiße!“, ruft Lederer ins Mikrofon. Der später dazugestoßene Kai Wegner fordert Rot-Rot-Grün zum Handeln auf.

Die Po­li­ti­ke­r:in­nen hatten noch versucht zu intervenieren. Medienwirksam begaben sich Lederer, Jarasch und Giffey in die Vivantes-Konzernzentrale, um eine Rücknahme der einstweiligen Verfügung zu fordern. Als sie nach einer Stunde wieder auf die Streikbühne treten, ist das Ergebnis enttäuschend: Meike Jäger von Verdi verkündet, dass die Gewerkschaft sich zumindest vorerst zurückziehen muss.

Vivantes-Regionaldirektor Johannes Danckert versucht noch, das Handeln der Geschäftsführung durch einen Verweis auf die „komplexe rechtliche Situation“ zu rechtfertigen. Doch immer wieder wird er von der Menge unterbrochen. Immerhin kündigt Danckert an, es würde „keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen“ für das Fernbleiben von der Arbeit am Montag geben.

Eine Streikende erzählt der taz jedoch, noch während Danckerts Rede habe die Stationsleitung sie angerufen, sie müsse nun zur Arbeit erscheinen. Eine weitere Streikende bricht in Tränen aus. Auf Berlin kommt wohl ein mit allen Mitteln geführter Arbeitskampf zu.

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1 Kommentar

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  • Eskalation ist doch das was man sich wünscht von einer Geschäftsführung mitten in einer Pandemie mit Personalmangel. Die Politik muss die GF absetzen, wenn sie das ernst meint mit dem Dialog.