Arbeitsgericht verurteilt EKD: Antirassismus auch konfessionslos
Nicht jede Stelle bei kirchlichen Trägern darf an die Konfession gebunden sein. Eine abgelehnte Bewerberin erhält in erster Instanz eine Entschädigung zugesprochen.
BERLIN epd | Das Arbeitsgericht Berlin hat das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Das Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) muss einer nicht berücksichtigten Stellenbewerberin eine Entschädigung aufgrund einer Benachteiligung aus religiösen Gründen zahlen, teilte das Arbeitsgericht am Montag mit. (Urteil vom 18.12.2013 - 54 Ca 6322/13)
Das Werk hatte den Angaben zufolge eine Referenten-Stelle ausgeschrieben. Inhaltlich ging es um einen unabhängigen Bericht zur Umsetzung der Antirassismus-Konvention der Vereinten Nationen durch Deutschland. In der Stellenausschreibung sei entsprechend der kirchlichen Bestimmungen die Mitgliedschaft in einer evangelischen Kirche oder einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen vorausgesetzt worden, teilte das Gericht weiter mit.
Die Klägerin, die nicht Mitglied einer Kirche ist, habe sich erfolglos um die Stelle beworben und sei nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Mit ihrer Klage habe sie vom Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung die Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) erreichen wollen.
Das Arbeitsgericht Berlin folgte dieser Argumentation und verurteilte das Werk zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts. Eine Einstellung dürfe nur dann von einer Kirchenmitgliedschaft abhängig gemacht werden, wenn es sich um eine „wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung“ handele.
Dies sei im vorliegenden Fall nicht so. Eine nach Paragraph 9 des AGG zulässige unterschiedliche Behandlung liege nicht vor. Das Thema „Antirassismus“ sei zwar auch nach „religiösen und diakonischen Wertvorstellungen“ von Bedeutung. Eine Religionszugehörigkeit sei für die ausgeschriebene Tätigkeit jedoch nicht erforderlich.
Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung wollte sich zunächst nicht zu dem Urteil äußern. Zunächst werde die schriftliche Urteilsbegründung abgewartet, hieß es auf epd-Anfrage. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, eine Revision zum Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg ist möglich.
Das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung mit Sitz in Berlin entstand im Jahr 2012 aus der Diakonie Deutschland und dem Evangelischen Entwicklungsdienst. Dazu gehören auch die Hilfswerke Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe.
Leser*innenkommentare
Uwe Lehnert
Es herrschen offenbar falsche Vorstellungen, was gerechtfertigte und eigentlich unverschämte Ansprüche der kirchlichen Unternehmen an ihre Mitarbeiter betrifft. Es ist sinnvoll und selbstverständlich akzeptabel, dass leitende Funktionen eines sog. Tendenzbetriebs mit Mitarbeitern besetzt werden, die sich voll zu diesem Unternehmen oder Organisation bekennen. So ist es selbstverständlich, dass der Sprecher einer Gewerkschaft Mitglied dieser Gewerkschaft ist. Es ist selbstverständlich, dass der Leiter einer Diakoniestation, auch sein Stellvertreter, Mitglied in der evangelischen Kirche ist. Sie haben, wie die Kirche sagt, einen Verkündigungsauftrag. Aber Krankenschwestern, Köche, Handwerker, Putzfrauen in einem konfessionellen Krankenhaus haben keinen Verkündigungsauftrag. Die Kirche aber verlangt von allen diesen genannten Mitarbeitern die Zugehörigkeit zur Kirche. Darüber hinaus verlangt sie – insbesondere die katholische Kirche – einen Lebenswandel streng nach ihrer Religion. So wird homosexuell orientierten Menschen gekündigt, ledigen Frauen, die ein Kind erwarten oder – berühmter Fall, der vor dem Menschrechtsgerichtshof landete – einem schon seit vielen Jahren beschäftigten Organisten, der in sog. wilder Ehe mit einer geschiedenen Frau zusammenlebte. Solche Schnüffeleien bis in die Intimsphäre kannte man zuletzt nur von der mit verwerflichen Methoden arbeitenden Stasi. Wenn in Berlin gelegentlich etwas »großzügiger« mit Bewerbern umgegangen wird, dann liegt das lediglich am Mangel an geeigneten Fachkräften, nicht an der barmherzigen Einstellung dieser »hochmoralischen« Institution. Das Pikante an der Sache ist, dass die Finanzierung dieser kirchlichen Unternehmen fast alle zu 100% aus Geldern der Sozialkassen oder des Staates stammen.(www.uwelehnert.de)
Uwe Lehnert
Es geht doch letztlich um die Frage, ob es rechtens sein kann, dass die Kirche als zweitgrößter Arbeitgeber nach dem Staat wie ein Staat im Staat eine eigene Gesetzgebung haben darf. Im Grundgesetz Artikel 137 WRV (unterhalb Artikel 140!) steht in Absatz 2: Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes.
Insbesondere der zweite Halbsatz ist zu beachten. Die Kirchen haben es jedoch mit Hilfe des kirchennahen Bundesverfassungsgerichts erreicht, dass dieser eindeutige Artikel so verfälscht wurde, dass u.a. aus dem Selbstverwaltungsrecht ein kompetenzerweiterndes Selbstbestimmungsrecht wurde, dass man entgegen Artikel 3, Abs. 3 des Grundgesetzes wegen seines Glaubens sehr wohl massiv benachteiligt werden darf, dass aufgrund des kirchlichen Arbeitsrechts das Streikrecht und die Koalitionsfreiheit (das Recht, Gewerkschaften zu gründen) ausgehöhlt wurde, das Antidiskriminierungsgesetz im Rahmen des kirchlichen Arbeits(un)rechts ignoriert werden darf.
Es ist doch erschütternd und eine Ohrfeige für unseren sog. Rechtsstaat, dass von Betroffenen bereits mehrmals der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingeschaltet werden musste, um der Willkür der Kirchen gegenüber ihren Mitarbeitern Einhalt zu gebieten. Die Kirchen sind die erste Institution nach dem Krieg, die es sich wieder erlauben kann zu sagen: »Juden nicht erwünscht«. Sie wird das zwar so nie öffentlich sagen, aber ein Mitarbeiter in Dienste der Diakonie oder Caritas, der sich vom Christentum abwendet und den jüdischen Glauben annimmt, darf auf der Stelle gekündigt werden.
Wie weit Deutschland inzwischen ein Kirchenstaat geworden ist, kann man z.B. hier nachlesen:
http://warum-ich-kein-christ-sein-will.de/aktuelles/
Eva
Gast
Dann bewerbe ich mich demnächst als Muezzin und beschreite den Klageweg, wenn ich als Frau und Christin abgelehnt werde? Ich möchte sehen, wie die TAZ dann aufheult!
Vielleicht sollte man einfach mal in Betracht ziehen, dass die Frau möglicherweise auch einfach nicht gut genug war für den Job, statt gleich über Diskriminierung zu schluchzen?
GroKo
Gast
@Eva Es ging hier auch darum, dass bereits in der Ausschreibung der Bewerberkreis entsprechend eingeschränkt wurde. So sehr die christlichen Kirchen in Deutschland auch Sonderstatus genießen, alles sollte man ihnen zweifellos NICHT einräumen.
Clwens
Gast
"Nicht jede Stelle" ist das wichtige Wort.
Ich erinnere mich daran, dass meine Mutter sich zum Beispiel als Krankenschwester beworben hat und nicht genommen wurde, weil sie katholisch getauft ist.
cosmopol
Gast
Jetzt bitte noch die restlichen, unsäglichen Sonderrechte für kirchliche Arbeitgeber*innen so schnell wie möglich entsorgen. Und gesellschaftlich relevante, soziale Infrastrukturen (Kitas, Krankenhäuser etc) verpflichtend konfessionsfrei gestalten.
PeterWolf
Gast
Eins von beiden würde doch schon reichen!
Wenn die Sonderrechte entfallen, darf es gerne weiter konfessionelle Einrichtungen geben.
Oder es gibt keine gesellschaftlich relevanten Infrastrukturen mehr in konfessioneller Hand, dann dürfen die intern soviel Sonderechte haben, wie sie wollen.
Aber da spalte ich wahrscheinlich Haare.
Tim Leuther
An sich finde ich das gut. Aber ich habe es auf der anderen Seite Satt, das nicht gewählte Richter sich zu viel raus nehmen. Es kann nicht sein, das nur weil ein Richter mal anders gelaunt ist oder mal ein Richter mit Bart zu seiner Interpretation gefragt wurde, die Rechtslage eine andere ist, obwohl kein Buchstabe sich geändert hat.
mittelalter schritt für schritt überwinden
Gast
Endlich!